Eine 32-jährige Mitarbeiterin des Jobcenters Neuss wird in ihrem Dienstzimmer von einem – in meinen Augen – verwirrten Klienten erstochen. Sie hinterlässt ein kleines Kind und einen Ehemann. Eine schreckliche Tat, und das Mitleid mit den Opfern ist groß!!! Das angebliche Motiv des Täters erscheint rätselhaft. Vermutete er wirklich, das Arbeitsamt wolle hinter seinem Rücken mit seinen aufgenommenen Daten Millionen scheffeln, oder was steckt tatsächlich dahinter? Die Medien spekulierten wild. War es Frust? Wurde der Täter so schlecht behandelt, dass er vor Wut außer sich geriet? Ohne Anwalt – aber mit Dolmetscher – äußerte er gegenüber der Polizei, ein Mitarbeiter des Jobcenters habe ihn überredet, eine Datenschutzerklärung zu unterschreiben, die er aufgrund seiner schlechten Deutschkenntnisse nicht verstanden habe. Eigentlich sei er deshalb einige Tage später wieder zum Jobcenter gekommen, um sich den Sachverhalt noch einmal erklären zu lassen. Der eigentliche Sachbearbeiter sei nicht dagewesen, also sei er ins Zimmer der Kollegin gegangen. Die soll in Kenntnis seines schlechten Deutsches gesagt haben, er hätte sich das Schreiben halt vor der Unterschrift durchlesen sollen. Er habe sich dadurch verarscht gefühlt. Ohne in diesem frühen Stadium des Verfahrens zu sehr aus dem Nähkästchen zu plaudern, fielen meinem sehr versierten und erfahrenen Mitverteidiger Horst Ruthman aus Neuss und mir noch so einige andere Merkwürdigkeiten in der Ermittlungsakte auf – ohne dass ein nachvollziehbares Motiv erkennbar geworden wäre. Dennoch kamen zwei von der Staatsanwaltschaft bestellte Gutachter zur Feststellung der vollen Schuldfähigkeit. In einem Interview äußerten wir Zweifel an den Gutachten und kündigten deren methodenkritische Überprüfung und ggf. die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens an.
Und natürlich dauerte es nicht lange bis sich der Stammtisch mal wieder meldete.
Hier der Wortlaut einer einschlägigen Email, die jegliches Rechtsstaatsverständnis vermissen lässt. Nicht, dass uns dies nach unzähligen Erfahrungen in vergleichbaren Kapitalstrafsachen überrascht hätte. Aber verwundert sind wir doch jedes Mal auf´s Neue. Könnte der Name des Absenders Programm sein? Immerhin hat er eine Email-Adresse und sogar seine Telefonnummer hinterlassen, was für ihn spricht. Und die Betroffenheit mit dem Schicksal der Hinterbliebenen – ich teile sie, und irgendwie verstehe ich auch die erste emotionale Reaktion. Danach aber müsste schon der Verstand einsetzen?!
„d.menz@gmx.de |
Ich bin froh das ich nicht so eine Verteidiung annehmen muß.ich wäre mir zu stolz dafür ,so nötig kann man Geld nicht haben.Ich kann noch morgens in den Spiegel sehen.Vieleicht schaffen Sie es noch das das Kind der ermordeten Frau es schuld ist das die Mutter abgestochen wurde da das kind ja die Mutter zur Arbeit hat gehen lassen.Sie tuen mir leid“ |
Rechtsanwalt Gerd Meister, Mönchengladbach / Neuss
Kategorie: Stories
Permalink: Neuss / Düsseldorfer Mordverfahren: Und schon wieder hagelt es Schimpfe!
Schlagworte: Düsseldorf, Gerd Meister, Horst Ruthmann, Jobcenter, Mönchengladbach, Mord, Neuss, Rechtsanwalt, Sachverständigengutachten
vor: Gedanken im Nachgang zu einem Tötungsverfahren beim Landgericht Krefeld...
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