Die Rache des Anwalts kommt im Plädoyer …



Veröffentlicht am 8. September 2012 von

Strafjustizgebäude des Hamburger Landgerichts

… hat mir mal in meinen jungen Anwaltsjahren ein erfahrener Kollege mit auf den Weg gegeben. Natürlich ist das eine ebenso plakative wie provokative These, aber richtig ist jedenfalls, dass der Schlussvortrag im Strafverfahren der Verteidigung die Möglichkeit gibt, auf das bisherige Prozessgeschehen und auf den Antrag der Staatsanwaltschaft noch einmal final (final jedenfalls in der Instanz) zu reagieren. Gestern haben vier Verteidigerkollegen im Hamburger  Piratenverfahren von dieser Gelegenheit ausführlich Gebrauch gemacht und damit dem überaus knappen Ratz-Fatz-Plädoyer der Staatsanwaltschaft Substanzielles entgegengesetzt.

Von halb zehn am Morgen bis  um 14:40 am Nachmittag dauerte das in drei Teile aufgeteilte Plädoyer der Verteidigung eines der zehn Angeklagten, unter Abzug der Pausen immerhin rund dreieinhalb Stunden. Das war nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ mehr als nur ein Gegengewicht zu dem 37-minütigen Vortrag der Staatsanwaltschaft, die sich  ja nicht nur mit einem, sondern gleich mit allen 10 angeklagten Somaliern auseinanderzusetzen hatte. Macht ja immerhin 3 Minuten und 42 Sekunden pro Angeklagtem, aber das ist reine Statistik und könnte als – vielleicht berechtigte? – Polemik verstanden werden. Außerdem hat sich die Staatsanwaltschaft ja schon vor 8 Monaten in ihrem ersten Plädoyer rund zweieinhalb Stunden lang mit dem Verfahren befasst, das soll nicht verschwiegen werden. Die konkreten Strafzumessungserwägungen beliefen sich damals auch nur auf etwas mehr als 2 Minuten je Pirat, das war aus meiner Sicht ebenfalls eine Meisterleistung in Verknappung. Ich hatte darüber im strablog berichtet.

Rechtsanwalt Burkert widmete einen größeren Teil seines Plädoyers rechtssystematischen und rechtsphilosophischen Betrachtungen, stellte durchaus berechtigte Fragen nach dem Sinn und Zweck von Strafe in einem Verfahren, das den archaischen Gegebenheiten in Somalia kaum gerecht werden könne, und beantragte erneut die Einstellung des Verfahrens gegen seinen Mandanten. Für den Fall einer Verurteilung solle eine – durch die Untersuchungshaft weitgehend verbüßte – Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verhängt werden. Allenfalls könne seinem Mandanten nämlich Beihilfe zum räuberischen Angriff auf den Seeverkehr und zum versuchten erpresserischen Menschenraub nachgewiesen werden und in Anbetracht der Gesamtumstände sei von einem minderschweren Fall auszugehen. In einem zwischengeschobenen bemerkenswerten Vortrag hatte der Hamburger Rechtsanwalt Dr. Ritter die Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft unter die Lupe genommen und geradezu schulmäßig den im wesentlichen unstreitigen äußeren Tatablauf unter die in Rede stehenden Tatbestände subsumiert. Der Tatbestand des § 316c Abs. 1 Ziff. 2 StGB sei ersichtlich nicht gegeben, weil die Angeklagten es gerade nicht darauf angelegt hätten, die an Bord der MS Taipan befindliche Ladung zu zerstören oder zu beschädigen. Insoweit könne nur vom Tatbestand des § 316c Abs. 1 Ziff. 2 ausgegangen werden. Ein vollendeter erpresserischer Menschenraub scheide entgegen der Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft aus, weil tatbestandlich weder die Voraussetzungen einer Entführung noch eines Sich-Bemächtigens im Sinne der Vorschrift des § 239a Abs. 1 StGB vorgelegen hätten. Es sei nämlich zu berücksichtigen, dass die Angeklagten die Mannschaft, die sich in den Schutzraum des Schiffes zurückgezogen hatte, bis zu ihrer Festnahme gar nicht gefunden hatten, und dass sich das Schiff de facto räumlich so gut wie nicht vom Ort der Kaperung entfernt hatte, weil die Mannschaft aus dem Safety-Room heraus die Maschinen gestoppt hatte und das Schiff dadurch manövierunfähig geworden war. Insoweit komme nur eine Versuchstat in Betracht. Erwägungen, mit denen sich die Staatsanwaltschaft gar nicht erst befasst hatte.

Die Verteidigung des Angeklagten Khalief D., der im März sein Schweigen gebrochen und etliche Mitangeklagte schwer belastet und danach außerhalb der Hauptverhandlung mit den Ermittlungsbehörden zusammengearbeitet hatte, plädierte immerhin auch rund eineinhalb Stunden. Naturgemäß legte sie ihren Schwerpunkt auf die Anwendung der Kronzeugenregelung zugunsten ihres Mandanten. Im übrigen schloss sie sich den rechtlichen Erwägungen des Kollegen Dr. Ritter an und tadelte ansonsten recht maßvoll die knappen Ausführungen der Staatsanwaltschaft. Das verwundert in Anbetracht der Tatsache, dass diese ja ihren ursprünglichen Strafantrag wegen der Zusammenarbeit um zwei Jahre gesenkt hatte und ansonsten keinerlei Zweifel an dem –  aus meiner Sicht durchaus zweifelhaften – Geständnis des Mannes hatte , nicht unbedingt. Zugunsten ihres Mandanten sei gerade in Anbetracht der Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden ein minderschwerer Fall anzunehmen, meinten die Kollegen, die eine Freiheitsstrafe zwischen 3 und vier Jahren beantragten.

Alle bislang zu Wort gekommenen Verteidiger haben sich im Übrigen mit den sozialen, ökonomischen und politischen Verhältnissen in Somalia, mit den Hintergründen der Piraterie und mit den konkreten Lebensbedingungen ihrer Mandanten befasst, Themen, die der Staatsanwaltschaft nur wenige Worte wert waren.

Am kommenden Mittwoch geht´s weiter mit den Plädoyers der Verteidigung, dann sind möglicherweise auch wir an der Reihe. Und natürlich werden auch wir Einiges zu sagen haben…. wie war das nochmal mit der Rache des Anwalts?

 

 


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