Nachträgliche Abtreibung als Mord, der Neonatizid



Veröffentlicht am 28. September 2012 von

Man versteht es nicht, und die grausige Tat, die jetzt in Nordfriesland aufgedeckt wurde, hat auch nichts mit Friesenwitzen zu tun. Eine 28-jährige Mutter von zwei Kindern gestand der Mordkommission Flensburg, seit 2006 fünf ihrer Babys unmittelbar nach der Geburt getötet zu haben. Sie habe Angst gehabt, ihr Ehemann könne sie bei Gebären weiterer Kinder verlassen. War die Frau vielleicht strenggläubige Katholikin, die aus Glaubensgründen meinte, nicht verhüten oder frühzeitig abtreiben zu dürfen. Oder hatte sie von moderner Verhütung noch nichts gehört? Eher unwahrscheinlich. Der Fall wird einen psychiatrischen Sachverständigen erfordern.

Die Rechtsgeschichte weist eine Vielzahl von Fällen junger Mütter auf, die ihre Kinder aus Verzweiflung getötet haben. Die Tötung eines Neugeborenen wird als Neonatizid bezeichnet. Julia Jüttner von Spiegel-Online berichtete in der Ausgabe vom 6.12.2007 über solche Tragödien. In ihrem damaligen Bericht führte sie unter Bezugnahme auf das Buch des Münchener Psychiaters Prof. Michael Soyka „Wenn Frauen töten. Psychiatrische Annäherung an das Phänomen weiblicher Gewalt“ aus:

„Meistens töteten sie nach „einer weitgehend verschwiegenen, im psychischen Sinne verdrängten Schwangerschaft“. Also einer Schwangerschaft, die es in der Wahrnehmung der Frauen nicht gegeben hat, nicht geben durfte. Sie verbergen ihren Babybauch unter weiter Kleidung, verstricken sich in Lügengespinste. Das dramatische Ende: Eine Geburt, die sie unter höchsten physischen und psychischen Qualen ganz allein durchstehen.

Für die anschließende Tötung des Neugeborenen sind mehrere Faktoren verantwortlich, Psychologen sprechen von „systematischen Amnesien“, „Depersonalisation“ und „dissoziativen Zuständen“. Die Mütter, die nicht Mutter sein wollen oder können, verdrängen, löschen das Geschehene aus ihrem Bewusstsein. Manche der Frauen, die ihre Babys töten, sind laut Soyka psychotisch. Andere sind Opfer sexuellen Missbrauchs oder leiden an Persönlichkeitsstörungen.

„Wichtig ist, dass die Frauen keineswegs nur aus schwierigen sozialen Verhältnissen stammen“, sagt Soyka. „Viele kommen auch aus der Mittelschicht und leben in mehr oder weniger geordneten Verhältnissen.“ Typisch für diese Frauen sei, dass sie oft unreife, naive Persönlichkeiten sind.

Dass sie die Leichen ihrer Kinder nicht bestatten, vergraben oder einäschern, dafür hat Soyka keine Erklärungen parat. „Das ist so bizarr, das kann man psychologisch nicht leicht erklären.“

Übrigens: Auch in diesem aktuellen Fall versteckte die Mutter drei der fünf Babyleichen im Keller ihres Wohnhauses. Ich stelle mir die Frage, ob die Mordkommission nun auch gegen den Vater der Kinder ermittelt, denn es ist schwer vorzustellen, dass dieser fünf Schwangerschaften und Geburten seiner Kinder nicht mitbekommen hat. Aber auch das hat es bei adipösen Frauen angeblich schon gegeben. Eine solche Behauptung alleine könnte ihn vor einer Verurteilung wegen Tötungen durch Unterlassen bewahren, denke ich.

 

 

 

 


Kategorie: Strafblog
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