Strafverteidigerschicksal: Manchmal hab´ich vom Reisen die Nase voll



Veröffentlicht am 18. Juni 2012 von

Bei meinen beruflich bedingten Reisen quer durch die Republik habe ich, was die Entscheidung für ein bestimmtes Verkehrsmittel anbetrifft, zumeist die Qual der Wahl. Bahn, Auto, Flieger – alles hat so seine Vor- und Nachteile und bisweilen scheint es so, als könne man bei der Entscheidungsfindung nur den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Bei größeren Entfernungen spricht prima facie manches für den Flieger. Nachteil hierbei ist, dass du dich relativ frühzeitig zeitlich festlegen musst, wenn du zu halbwegs erträglichen Preisen fliegen willst. Und dann bist du halt festgelegt und es wird stressig, wenn sich andere Termine verzögern oder noch unbewältigte Arbeit im Büro liegt und du eigentlich noch 1 oder 2 Stunden benötigen würdest, um die Akten vom Tisch zu bekommen. Ein weiterer Nachteil beim Fliegen ist, dass du unterwegs nur schlecht arbeiten kannst, weil die Anfahrt zum Flughafen, das Einchecken, das Boarding und der relativ kurze Inlandsflug sowie die Weiterfahrt zum Gericht, zur JVA oder zum nicht inhaftierten Mandanten allenfalls ein paar Telefonate zulassen. Für die inhaltliche Bearbeitung von Akten gibt es einfach zu viele Unterbrechungen.

Mit dem Auto sieht es nicht besser aus. Abgesehen von Telefonaten, die man füglich über die Freisprechanlage führen sollte und die trotzdem vom Verkehrsgeschehen ablenken können, gibt es keine wirklichen Betätigungsfelder, die gefahrlos betreten werden können. Es soll ja Kollegen geben, die am Steuer schon mal ihr Diktiergerät zur Hand nehmen, aber das ist wegen der Vielzahl der möglichen Verkehrshindernisse und der Radarmessungen nicht unbedingt zu empfehlen. Und je nach Tageszeit und Verkehrsdichte lässt sich die Dauer der Anfahrt, wenn es über weite Strecken geht, trotz aller Verkehrsinformationssysteme nur schwer kalkulieren. Für meine Fahrten von Mönchengladbach um Piratenprozess nach Hamburg muss ich im Schnitt 4 ½ Stunden kalkulieren, habe aber bei ungünstiger Staulage auch schon mehr als 6 Stunden benötigt. Und wenn zwischendurch die Gelegenheit besteht, verlorene Zeit aufzuholen, dann lauern die Radarfallen.

Bleibt die Bahn, in der man immerhin auch schon mal mit Laptop und Akten arbeiten kann. Nachteil ist die notorische Unpünktlichkeit, über die ich im strafblog ja schon hinlänglich oft berichtet habe. Wlan gibt es in der Bahn nur auf wenigen Strecken und die Mobilfunkprovider schaffen es nach wie vor nicht, stabile Verbindungen über längere Strecken zu gewährleisten, so dass ein Onlinezugriff auf den Kanzleirechner via Remote-Control und VPN wegen der zahlreichen Unterbrechungen anstrengend wird.

Also arbeitet man am besten im Büro, sollte man meinen, aber es ist nun mal Strafverteidigerschicksal, ständig unterwegs zu sein. In den letzten 2 Jahren habe ich sicher deutlich mehr als die Hälfte aller Arbeitstage auswärts verbracht, oft ziemlich weit weg von der Kanzlei, und es schaut nicht so aus, als ob sich das in den nächsten Monaten ändern wird. Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich im ICE nach Frankfurt, wo schon seit 6 Monaten ein Staatsschutzverfahren gegen 5 indische Staatsangehörige, die zur Religionsgemeinshft der Sikhs gehören, läuft, morgen  ist dann tatsächlich mal ein Bürotag in Mönchengladbach, allerdings unterbrochen durch 2 Knastbesuche in Willich und Duisburg-Hamborn, am Mittwoch findet vor dem heimischen Landgericht eine Fortsetzungsverhandlung in einer Vergewaltigungssache statt, am Donnerstag steht Hamburg auf dem Programm (93. Verhandlungstag im Piratenprozess), am Freitag dann die Neuauflage eines Verfahrens wegen gewerbsmäßigen Betruges in Duisburg. Dann kommt wieder Frankfurt, Hamburg, Augsburg. Da hat´s der Kollege Meister schon leichter, zumindest in dieser Hinsicht, der verteidigt zumeist heimatnah. Das macht erleichtert den Kontakt mit den Mandanten und ist auch besser für´s Beziehungsleben.  Aber was klage ich, mich zwingt ja niemand …

Und heute Abend bin ich ja schließlich wieder zuhause, wenn nichts dazwischen kommt.

 


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