Tankstellenräuber verklagt Polizisten wegen eines weggeschossenen Hodens auf Schmerzensgeld – Geht das überhaupt?



Veröffentlicht am 27. Februar 2015 von

rp_SAM_02923-300x2001.jpgIn der Nacht zum 01. August 2012 überfiel ein heute 23-jähriger Mann zum zweiten Mal eine Tankstelle an der Duvenstraße in Mönchengladbach. Was er nicht wusste, war, dass die Polizei diesmal bereits auf der Lauer lag und ihn erwartete. Als der Mann mit einem großen Messer bewaffnet auf die Kassiererin zulief, kam ein Polizist, der später von mir vertreten wurde, mit gezogener Dienstpistole aus einem Nebenraum und rief „Stehenbleiben! Polizei!“. Der Räuber blieb jedoch nicht stehen, sondern drehte sich mit dem erhobenen Messer in der Hand um, wobei er dem Polizisten sehr nahe kam. Dieser fühlte sich unmittelbar attackiert und gab – möglicherweise eher instinktiv als bewusst – einen Schuss ab, der den verhinderten Räuber ins Gesäß und von dort aus bis in den Hodenbereich traf. Dennoch gelang es dem jungen Mann noch, das Tankstellengebäude zu verlassen und einen 1,80 Meter hohen Zaun zu übersteigen und bis zu dem Fluchtfahrzeug zu gelangen, in dem ein Kumpan auf ihn wartete. Erst dort kam es zur Festnahme.

Dem nicht unerheblich verletzten jungen Mann musste operativ ein Hoden entfernt werden. Wegen der beiden Raubüberfälle auf die Tankstelle – beim ersten Mall hatte er 850 Euro erbeutet – wurde er später zu 6 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Wegen der Schussverletzung hatte der Räuber über seinen Anwalt gegen den Polizeibeamten Strafanzeige wegen eines versuchten vorsätzlichen Tötungsdelikts erstattet. In diesem Verfahren habe ich den Polizisten verteidigt und nach mehrmaliger Wiederaufnahme der Ermittlungen schließlich eine endgültige Verfahrenseinstellung erreicht, weil ihm weder eine vorsätzliche noch eine fahrlässige Körperverletzung nachzuweisen war. Mit einem Klageerzwingungsverfahren gegen den Polizeibeamten war der Räuber vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gescheitert.

Der Mann ist allerdings  zäh und will sich damit nicht abfinden. Deshalb hat er den Polizeibeamten im Prozesskostenhilfewege vor einer Zivilkammer des Mönchengladbacher Landgerichts auf 10.000 Euro Schmerzensgeld verklagt. Das Gericht hat die Klage – was mich etwas verwundert hat – immerhin in Höhe von 5.000 Euro für nicht von vorneherein aussichtslos gehalten und insoweit Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt. Für meinen Mandanten habe ich Klageabweisung beantragt und unter anderem geltend gemacht, dass er unabhängig von der Frage, ob überhaupt eine zum Schadensersatz verpflichtende rechtswidrige Diensthandlung vorliege, jedenfalls nicht der richtige Beklagte sei. Gemäß Art. 34 des Grundgesetzes (GG) treffe nämlich die Verantwortlichkeit für eventuelle Amtspflichtverletzungen im Rahmen der Dienstausübung ausschließlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Diensten er steht.

Das Landgericht hatte daraufhin zunächst angefragt, ob einem Mediationstermin zugestimmt werde, da die Angelegenheit sich für ein Gütegespräch eigne. Ich habe daraufhin angefragt, ob die Kammer entgegen der hier vertretenen Rechtsauffassung davon ausgehe, dass der Beklagte passivlegitimiert sei. Daraufhin hat das Gericht dann den aus meiner Sicht unvermeidlichen Hinweisbeschluss erlassen, dass seitens des Beklagtenvertreters zutreffend darauf hingewiesen worden sei, dass der Polizeibeamte in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt habe. Danach sei eine persönliche Haftung in der Tat ausgeschlossen und der Staat hafte an Stelle des Beamten.

Dem klägerischen Anwalt ist eine Frist zur Stellungnahme von 2 Wochen bewilligt worden. Ich gehe davon aus, dass er die Klage zurücknehmen wird. Die Verfahrenskosten werden sodann dem Kläger und damit zunächst einmal dem Steuerzahler auferlegt werden, da der Kläger mittellos ist und PKH bewilligt bekommen hat. Eigentlich hätte das nicht passieren dürfen.

Es wird abzuwarten bleiben, ob der Kläger dann mit einer neuen Klage das Land NRW in Anspruch nimmt. In Anbetracht der Nachhaltigkeit, mit der er seine vermeintlichen Ansprüche bislang verfolgt hat, ist wohl davon auszugehen. Die Kammer wird ihm dann wohl erneut PKH bewilligen. Dann wird irgendwann auch eine Sachentscheidung ergehen, ob der Polizeibeamte vielleicht doch pflichtwidrig bzw. zumindest fahrlässig gehandelt hat, als er den Schuss mit seinen fatalen Folgen abgegeben hat.


Kategorie: Strafblog
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