Eigentlich wollte ich zum Kölner Beltracchi-Verfahren, das von den Medien zum größten Kunstfälscherprozess der deutschen Justizgeschichte erklärt worden ist, mit Rücksicht auf Otto nichts bloggen. Otto, der in der Presse auch schon mal zum Cheflogistiker der Beltracchi-Machenschaften hochstilisiert wurde, legt nämlich – anders als Wolfgang Beltracchi, der früher Fischer hieß – keinen Wert auf öffentliche Wahrnehmung. Im Gegenteil: Otto ist froh, dass der Prozess und das Blitzlichtgewitter der Kameras vorbei sind. Er will jetzt Abstand finden von einer längeren Phase seines Lebens, in der er einerseits von der schwammartigen Saugkraft des Kunstmarktes profitierte, der auf der Suche nach immer neuen Meisterwerken gerne mal über Fälschungsmerkmale hinwegschaut oder diese gar nicht erst wahrnimmt, und die ihn andererseits einige Jahre Freiheit gekostet hat bzw. noch kosten wird. Und das ist für einen Mann, der 69 Jahre alt ist, nicht leicht. Ich weiß das, weil ich Otto in besagtem Kunstfälscherverfahren verteidigt habe und immer noch sein Anwalt bin.
Otto ist wegen seiner Verwicklung in den Beltracchi-Fall zu 5 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden, was einerseits in Anbetracht des erheblichen Schadens in zweistelliger Millionenhöhe und des mehrjährigen Tatzeitraums eine sehr moderate Strafe ist, andererseits im Verhältnis zu den Strafen, die gegen Wolfgang und Helene Beltracchi verhängt wurden, nach Ansicht mancher Prozessbeobachter und auch nach meiner Auffassung ein bisschen zu viel ist. Aber mehr ließ sich im Rahmen der Verständigungsgespräche, die zu einem doch ganz erheblich verkürzten Verfahren geführt haben, nicht herausschlagen. Das Gericht unter dem Vorsitz des erfahrenen und sehr pragmatischen Richters Kremer hatte eine reichlich arithmetische Sicht auf die Dinge: 14 Taten wurden Wolfgang Beltracchi zur Last gelegt, das schlug unter Berücksichtigung eines umfassenden Geständnisses bei wohlwollender Betrachtungsweise mit 6 Jahren zu Buche. 11 Taten waren es bei Otto, macht dann eben 5 Jahre. An 7 Taten soll Helene beteiligt gewesen sein, was zu 4 Jahren Freiheitsstrafe führte. Andere Aspekte, wie etwa die Frage, wer in welchem Umfang an den beträchtlichen Veräußerungserlösen profitiert hat, waren da eher zweitrangig. Wichtig für alle Angeklagten und durchaus nicht selbstverständlich war, dass sie mit dem Urteilsspruch von der Untersuchungshaft verschont wurden und ihre Strafe daher als Selbststeller antreten können. Das eröffnet ihnen als Erstverbüßer nämlich die Möglichkeit, die Strafe im offenen Vollzug zu verbüßen.
Otto hat seine Strafe sofort akzeptiert und auf alle taktischen Spielchen verzichtet, um die Sache möglichst schnell und unauffällig hinter sich zu bringen, während die Beltracchis – was ihr gutes Recht ist – trotz der Verfahrensabsprache erst einmal Revision eingelegt haben, um noch ein paar Monate länger die gerade wiedergewonnene Freiheit nutzen zu können, bevor sie ihre Strafen antreten. Inzwischen sind aber auch ihre Verurteilungen aufgrund ihrer Rechtsmittelrücknahme rechtskräftig geworden. Otto hat das Gerichtsgebäude nach der Urteilsverkündung erst verlassen, nachdem die Presse im Tross der Beltracchis und ihrer Verteidiger abgezogen war, während diese ihre schon im Gerichtssaal begonnene Selbstvermarktung fortsetzten. Ich will das gar nicht kritisieren, auch das ist ihr gutes Recht, und Wolfgang Beltracchi kann die Publizität gut gebrauchen, wenn er zukünftig eigene Werke schaffen und unter eigenem Namen vermarkten will. Und das will er offensichtlich, wie sich einem immerhin 10-seitigen Interview-Bild-Bericht in der aktuellen Printausgabe des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL entnehmen lässt. Wolfgang Beltracchi stellt sich dort – wie schon im Prozess – in durchaus narzisstischer Weise (auch das sei ihm gegönnt) als früh schon hochbegabter Maler und genialer Fälscher dar, der noch weit mehr Werke im Stile diverser Meister erschaffen hat, als dies bislang bekannt war. 56 von ihm gefälschte Gemälde glaubte die Kripo bis zum Verfahrensbeginn ermittelt zu haben. Hiervon waren 14 in die Anklage eingeflossen.
Ärgerlich für Otto ist an dem SPIEGEL-Beitrag nur, dass er dort wiederholt mit seinem vollständigen Namen erwähnt und auch per Foto abgebildet ist. Das ist im Lichte der Rechtsprechung zum Schutz von Persönlichkeitsrechten zumindest bedenklich. Anders als Beltracchi, der das durchaus genießt, will Otto keine Person der Zeitgeschichte sein und ist es aufgrund seiner Rolle in der Kunstfälscher-Causa auch nicht so ohne weiteres. Er (oder ich) hätte zumindest einmal gefragt werden sollen, ob er mit seiner Namensnennung mehrere Monate nach Prozessende einverstanden ist. Ich werde das beim SPIEGEL vortragen und für die Zukunft eine Unterlassungerklärung verlangen.
Kategorie: Strafblog
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