Zweiter Anlauf in einem Verfahren wegen gewerbsmäßigen Betruges, Urkundenfälschung und einiger anderer Delikte vor dem Schöffengericht. 28 Taten waren ursprünglich angeklagt gewesen, in der ersten Hauptverhandlung hatte das Gericht dann noch eine soeben eingegangene Anklage wegen Sozialhilfebetruges auf den Tisch gelegt. Der Angeklagte hätte vom Jobcenter Leistungen kassiert und entgegen seiner Verpflichtung nicht angegeben, dass er daneben Einkünfte aus Straftaten erzielt. Ich hatte darüber in einem satirisch gefärbten Blogbeitrag berichtet und auch den zugehörigen originellen Kommentar eines strafblog-Lesers veröffentlicht. Das Verfahren war seinerzeit ausgesetzt worden und heute wurde neu verhandelt. Die Staatsanwaltschaft hatte inzwischen mit einer weiteren Anklage nachgelegt, die 8 zusätzliche Betrugshandlungen zum Gegenstand hatte. Nach einigem Hin und Her war zwischen den Verfahrensbeteiligten eine Verständigung erzielt worden, wonach im Falle einer geständigen Einlassung eine Reihe von Anklagepunkten eingestellt und im übrigen eine Gesamtstrafe von nicht mehr als 3 Jahren verhängt werden sollte. Ein bereits rechtskräftiges Urteil wegen 2 Dutzend weiterer Taten in Höhe von 1 Jahr und 9 Monaten sollte unter Auflösung der dortigen Gesamtstrafe in das Urteil einbezogen werden. Ein aus Sicht der Verteidigung in Anbetracht der Beweislage ausgesprochen günstiges Ergebnis, das von der Staatsanwaltschaft insbesondere aus prozessökonomischen Gründen mitgetragen wurde, um allen Beteiligten eine ansonsten sicher sehr umfangreiche Beweisaufnahme zu ersparen. Der Mandant hatte sich mit der getroffenen Absprache nach umfangreicher Erörterung einverstanden erklärt. Wir hatten besprochen, dass ich für ihn eine zusammenfassende Einlassung abgebe und dass er diese bestätigt. Inhaltlich war die Einlassung natürlich mit ihm abgestimmt. Also sollte eigentlich alles klar sein. Eigentlich…
„Angeklagter, ist das richtig so, wie ihr Verteidiger das vorgetragen hat?“, fragt die Richterin. Die Antwort lautet sinngemäß: „Ich akzeptiere die 3 Jahre, dann muss ich ja sagen, dass das so richtig ist, auch wenn der Fall in Wirklichkeit viel komplizierter ist und Einiges ganz anders war. Aber Sie können die Strafe ja ein wenig herabsetzen.“
„Wie bitte, ich habe Sie nicht verstanden“, höre ich die Richterin fragen, „wollen Sie sich die Angaben Ihres Verteidigers zu eigen machen oder nicht?“ Antwort: „Das ist alles sehr kompliziert, so ist es nicht in jedem Fall gewesen, aber das macht ja keinen Sinn, wenn ich das sage“. Die Vorsitzende zieht die Augenbrauen hoch und ich bitte um eine Unterbrechung. Ab ins Richterzimmer, wo ich ungestört mit dem inhaftierten Mandanten sprechen kann. Ob keine Bewährung möglich sei, will der Mandant wissen, und ob er die Strafe im offenen Vollzug verbüßen könne. „Nein, keine Bewährung, das ist schon von Gesetzes wegen nicht möglich und das haben wir doch bereits mehrfach ausführlich besprochen!“, sage ich. „Und für die Frage des offenen Vollzuges ist die Richterin einerseits nicht zuständig und andererseits ist doch noch ein weiteres opulentes Verfahren gegen Sie anhängig, so dass offener Vollzug auch im Falle der Rechtskraft vorerst nicht in Betracht kommt. Auch das haben wir bereits umfassend erörtert.“ „Dann sorgen Sie wenigstens dafür, dass nicht mehr als zweieinhalb Jahre verhängt werden!“ Na, wenn´s weiter nichts ist…
Während ich noch mit dem Mandanten diskutiere, kommt die Richterin in Zimmer. „Brauchen Sie noch länger? Ich kann auch eine weitere halbe Stunde unterbrechen.“ Nein, das will ich nicht, wir drehen uns ja hier im Kreise. „Bitte geben Sie uns noch 5 Minuten“. Ich reiße mich zusammen, erkläre dem Mandanten noch einmal die Situation und dass es nach meiner Bewertung der Sachlage im Falle einer längeren Beweisaufnahme nur schlimmer kommen kann. Und dass mit den 3 Jahren wirklich Alles ausgereizt ist. Aber jetzt liege es an ihm, die Absprache mitzumachen oder auch nicht. Resignierend meint der Mann: „Zweieinhalb Jahre wären ja besser, aber wenn Sie meinen …“
Zurück im Sitzungssaal: „Mein Mandant schließt sich meinen Ausführungen an und macht sie diese zu Eigen“, erkläre ich. „Stimmt das?“, fragt die Richterin. „Ach, es ist zu kompliziert, was soll ich Ihnen erklären …“ „Heißt das, sie schließen sich Ihrem Verteidiger an?“ „Wenn es sein muss …“
Ich habe schon Richter erlebt, denen ist in solchen Situationen der Geduldsfaden gerissen. Die Vorsitzende atmet erleichtert auf und diktiert ins Protokoll: „Ich schließe mich den Ausführungen meines Verteidigers an“. Mein Mandant flüstert mir ins Ohr: „Aber wir legen auf jeden Fall Berufung ein.“ „Darüber sprechen wir später“, zischele ich zurück.
Kategorie: Strafblog
Permalink: Von der Schwierigkeit, im Rahmen einer Absprache ein Geständnis abzulegen
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