Da hatte ich am Freitag über einen geplatzten Verhandlungstag im Piratenprozess gebloggt und die Frage aufgeworfen, ob Zeitdiebstahl eigentlich strafbar ist und wen man dafür verantwortlich machen kann. Und dann das: Gestern gab´s ein absurde Fortsetzung des Zeitverlustes, und diesmal war´s mal wieder die Bahn. Die leistet sich ohnehin gefühlte 80 Prozent Verspätungen, die Hälfte davon mehr als eine halbe Stunde und davon wieder die Hälfte noch wesentlich mehr. Ich habe darüber ja schon wiederholt berichtet.
Ich habe gerade erst gelesen, dass die Bahn mit dem Winterfahrplan mal wieder die Preise erhöht, das ist wohl der Lohn für all die Verspätungen und Pannen, welche sich das wichtigste deutsche Transportunternehmen mit wiederkehrender Bravour leistet.
Nach dem gescheiterten 103. Verhandlungstag hatte ich mich am Freitag dazu entschieden, über Nacht in Hamburg zu bleiben und noch ein wenig vom Filmfest mitzunehmen. Tatsächlich bin ich dann in Michael Hanekes „Liebe“ gelandet, der gar nicht auf dem Programm des Filmfestes steht, aber als grandioses Altersdrama mit den betagten Schauspielern Jean-Louis Trintignant und Emmanuelle Riva immerhin mit der Goldenen Palme von Cannes ausgezeichnet wurde und viel Stoff zum Nachdenken hinterlässt.
Gestern um 9:40 Uhr wollte ich am Bahnhof Dammtor in den IC nach Dortmund steigen, um dort nach Düsseldorf umzusteigen, wo ich mein Auto geparkt hatte. Für den Hinweg nach Hamburg hatte ich den Flieger gewählt. 10 Minuten Verspätung wurden am Gleis angezeigt, eine Durchsage wies auf „technische Probleme“ an der Zugmaschine hin. 20 Minuten Verspätung zeigte da schon meine iPhone-App an, also machte ich mich auf etwas längeres Warten gefasst. „Der Zug verpätet sich um 40 Minuten“, hieß es wenig später und dann wurde mehr als 1 Stunde daraus. Das machte es naheliegend, nach Alternativen zu suchen, und deshalb beschloss ich, zum Hauptbahnhof zu fahren und dort um 10:45 Uhr in einen anderen IC zu steigen, der direkt nach Düsseldorf fahren sollte. Eigentlich ziehe ich für so lange Fahrten den ICE vor, aber der ging mit kurzer Umsteigezeit über Hannover, und da habe ich schon so manche bedauerliche Erfahrung gemacht. Also rein in den pünktlich wartenden und ziemlich überfüllten IC, natürlich ohne Fahrplatzreservierung, das ging aus Zeitgründen nicht mehr. Aber ich habe noch einen Sitzplatz ergattert, das war ja schonmal was, zu 4 Stunden Reise im Stehen hätte ich mich auch nicht entschließen können.
Leider fuhr der Zug nicht los. Zunächst jedenfalls nicht. Man warte auf einen verspäteten anderen Zug, aus dem Passagiere noch zusteigen würden, gab eine freundliche Stimme bekannt, und in mir schoss der Gedanke hoch, warum die Anschlusszüge nie warten, wenn ich umsteigen muss und mein Zug Verspätung hat. Vor allem in Hannover, wo das nie klappt. Nach einer guten Viertelstunde setzte sich der Zug dann immerhin in Bewegung, geplante Ankunft in Düsseldorf war jetzt 14:27, wenn ich mich recht erinnere. Mir schwante Böses, als wir in Bremen auf dem Gleis stehen blieben und ich hörte, wie die Motoren abgestellt wurden. „Technischer Defekt an der Zugmaschine, wir bitten um Entschuldigung“, lautete die kurz darauf vernehmliche Durchsage. Nach 20 Minuten habe ich den Zug verlassen, das könnte ja ewig dauern, dachte ich. Also bin ich in einen anderen IC umgestiegen, der fuhr wiederum nur bis Dortmund, dort musste ich in den ICE nach Düsseldorf umsteigen. Welch ein Risiko, dachte ich, die Umsteigezeit dort war mit 4 Minuten angegeben.
Aber was soll ich sagen? In Dortmund klappte es gegen jegliche Erwartung mit dem Anschluss, und ich war um 15:30 Uhr in Düsseldorf. Also gerade mal gute 6 Stunden unterwegs, wenn ich die kurze Taxifahrt zum Bahnhof in Hamburg mitrechne. Und mein Auto stand auch noch da, wo ich es abgestellt hatte. Jetzt noch gute 20 Minuten bis Mönchengladbach und dann ab ins Office, um einen Strafprozess für Montag vorzubereiten. Man gönnt sich ja sonst nichts ….
Kategorie: Strafblog
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