Beltracchi und der Kunstfälscher-Skandal: Kunstauktionshaus Lempertz muss mehr als 2 Millionen Euro Schadensersatz zahlen



Veröffentlicht am 1. Oktober 2012 von

Es hätte ein wirklich aufregendes Verfahren werden können und war dann doch schon nach wenigen Verhandlungstagen und ohne Zeugenvernehmungen zu Ende: Im Frühjahr war ich als Verteidiger in Deutschlands bislang wohl spektakulärstem Kunstfälscherprozess um die Eheleute Wolfgang und Helene Beltracchi und um meinen Mandanten Otto S. tätig, das mit Freiheitsstrafen von 4, 5 und 6 Jahren für die 3 Hauptangeklagten endete. Das war ein mehr als respektables Ergebnis, wenn man den Umfang der Vorwürfe und die Höhe des Schadens bedenkt, der durch die zahlreichen Neuschaffungen von nie gemalten Werken von Künstlern wie Campendonk, Pechstein, Max Ernst, Marcoussis, Derain und andere entstanden ist.

Ausgangspunkt der Ermittlungen war der Rekordzuschlag eines angeblichen Gemäldes von Heinrich Campendonk mit dem Titel „Rotes Bild mit Pferden“ gewesen, dass in der Herbstauktion 2006 des Kölner Kunstauktionshauses einen Rekordzuschlag von immerhin 2,88 Millionen Euro einschließlich Provisionen und Galerieaufgelder erzielt hatte. Als anonyme Bieterin hatte ein auf Malta ansässiges Unternehmen, das sich in russischer Hand befindet, den Zuschlag erhalten. Dieses wiederum wollte das Bild über eine auf solche Transporte spezialisierte Spedition in den Freihafen nach Genf verbringen lassen, und dazu war eine Transportversicherung erforderlich. Die Spedition wies darauf hin, dass sich das Bild ohne Echtheitsnachweis wohl nicht versichern lasse. Es bestehe aber ein Anspruch gegen den Auktionator auf Nachweis der Echtheit durch Einholung einer Expertise. Darauf angesprochen, beauftragte Lempertz die ausgewiesene Campendonk-Expertin Dr. Firmenich mit der Erstellung eines Gutachtens, welches die Echtheit unter anderem aufgrund kunsthistorischer und stilkritischer Betrachtung und im Hinblick auf vorliegende Provenienznachweise bejahte,  der Vollständigkeit halber auf eine noch einzuholende Farbpigmentanalyse verwies. Und die erbrachte dann, das in dem Bild Farben verarbeitet worden waren, die es im angeblichen Entstehungsjahr 1914 noch nicht gab. In der Folgezeit stellte sich dann heraus, dass auch die Galerieaufkleber, die sich auf der Rückseite des Werkes befanden, gefälscht waren. Über diese Aufkleber wurden bislang mindestens  56 Falsifikate entlarvt, die zu Millionenwerten in vielen renommierten Galerien und Kunstsammlungen auf der ganzen Welt ausgestellt waren.

Der Inhaber des Kunstauktionshauses, Prof. Hanstein, gegen den ebenfalls Ermittlungen wegen des Verdachts desBetruges eingeleitet worden waren, war von der maltesischen Erwerberin des Kunstwerkes auf Rückabwicklung des Versteigerungsgeschäfts verklagt worden. Hanstein hatte seinerzeit zwar seine Provision nebst Galerieaufgeld in Höhen von ca. 880.000 Euro erstattet, eine darüber hinausgehende Verpflichtung zur Erstattung des Kaufpreises aber abgelehnt. Er sei selbst von der Einlieferin des Bildes, einer Verwandten der Eheleute Beltracchi, über die Echtheit des Gemäldes getäuscht worden.

Das hat das Landgericht Köln jetzt anders gesehen. Eine Zivilkammer des Gerichts verurteilte das Kunstauktionshaus jetzt zur  Zahlung von weiteren gut 2 Millionen Euro.  Dieses habe – selbst bei unterstellter Gutgläubigkeit – eine vorvertragliche Pflichtverletzung begangen, indem es die Zuschreibung des Bildes zu Campendonk im Auktionskatalog ohne hinreichende Grundlage vorgenommen habe. Hierfür wäre eine vorherige naturwissenschaftliche Begutachtung erforderlich gewesen. Zu berücksichtigen sei insoweit, dass bei Einlieferung des Gemäldes, das angeblich jahrzehntelang verschollen war, keine bekannte Ablichtung vorhanden gewesen war. Lediglich der Titel war einmal in einem alten Ausstellungskatalog aus den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts erwähnt worden. Die vorbehaltlose Zuschreibung des Bildes zu Campendonk hätte bei dieser Sachlage nicht allein auf Signatur, Angaben der Einlieferin und kunsthistorische und stilkritische Prüfungen gestützt werden dürfen. Zumindest hätte Prof. Hanstein darauf hinweisen müssen, dass die Echtheitsannahme nur auf diese Gesichtspunkte gestützt werde.

Jetzt wird abzuwarten bleiben, ob das Kunstauktionshaus Berufung zum OLG Köln einlegt.

 

 


Kategorie: Strafblog
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