Vor einigen Tagen habe ich einen als „Verteidigerpost“ deklarierten Brief eines inhaftierten Mandanten mit einem riesigen Forderungskatalog bekommen, in dem aufgelistet ist, worum ich mich doch bitte umgehend kümmern soll. Da geht es um Grundstücksgeschäfte, um innerfamiliäre Angelegenheiten, um Nachbarrechtsstreitigkeiten, um diverse geschäftliche Belange, um Korrespondenz mit anderen Anwälten, die ihn außerhalb des Strafverfahrens vertreten, und um anderes mehr.
Rechtlich und tatsächlich sind solche Anschreiben, die wir als Strafverteidiger zuhauf bekommen, problematisch.
Rechtlich problematisch, weil nur solche Korrespondenz als Verteidigerpost privilegiert und von der richterlichen bzw. staatsanwaltlichen Postkontrolle ausgeschlossen ist, die sich auf das strafrechtliche Mandatsverhältnis bezieht. Wenn der Verteidiger auch zivilrechtliche oder verwaltungsrechtliche oder private Korrespondenz, die in keinem Zusammenhang mit dem Strafverfahren steht, über „Verteidigerpost“ abwickelt, was in der Praxis sicher nicht ganz selten vorkommt, dann stellt das eine Ordnungswidrigkeit dar, die nach § 115 OWiG mit einer Geldbuße geahndet werden kann. Ich habe darüber schon einmal im Zusammenhang mit einem seinerzeit gegen mich eingeleiteten, später aber eingestellten Verfahren im strafblog berichtet und dort auch die Rechtslage näher erläutert.
Tatsächlich problematisch sind solche Anliegen deshalb, weil wir einerseits ja viel Verständnis für die schwierige Situation unserer inhaftierten Mandanten haben (müssen), die in uns den einzigen schnell erreichbaren Ansprechpartner haben, und weil wir andererseits weder zeitlich in der Lage sind, uns um alle Lebensprobleme der Leute zu kümmern, noch hierfür (zumeist) hinreichend finanziell ausstaffiert werden. Letztlich kann es auch zu Haftungsproblemen führen, wenn wir außerhalb eines hierfür zusätzlich begründeten Mandatsverhältnisses aus purer Hilfsbereitschaft Aufgaben übernehmen, die dann nicht zur Zufriedenheit erfüllt werden und für die wir dann verantwortlich gemacht werden.
Ich kann nur raten, schon bei Begründung des Mandatsverhältnisses darauf hinzuweisen, dass sich die Verteidigertätigkeit ausschließlich auf die Vertretung im Strafverfahren bezieht und dass für darüber hinausgehende Tätigkeiten entweder zusätzliche Mandatsverhältnisse, die natürlich einer wirtschaftlichen Grundlage bedürfen, begründet werden müssen, oder – wenn sich die eigene Tätigkeit auf das Strafrecht beschränkt – dass hierfür andere Anwälte einzuschalten sind. Und für die bin ich gewiss kein Postbote.
So eine Mitteilung kann vom Mandanten als hart empfunden werden, zumal er vielleicht von seinem Zellengenossen gehört hat, dass dessen Verteidiger sich um Alles kümmert, aber im eigenen Interesse ist es wichtig, da klare Worte zu sprechen. Selbst wenn das im Einzelfall zum Mandatsverlust führen sollte.
Das heißt nicht, dass ich kein Herz habe und Hilfe verweigere. Gerne erkläre ich meinen Mandanten, wie sie sich mit Hilfe des Sozialarbeiters im Gefängnis um bestimmte Probleme selber kümmern können. Ich kann ihnen auch Kontaktadressen von zivil- oder verwaltungsrechtlich tätigen Kollegen oder von Gefangenenhilfeorganisationen geben, die sie – ggfs. mit Prozesskostenhilfe – in den außerstrafrechtlichen Angelegenheiten vertreten können. Natürlich spreche ich auch mit den Angehörigen meiner Mandanten über das Eine oder Andere, wenn dies gewünscht wird, und für ein wenig Seelenmassage ist immer Zeit, wenn ich meine Leute im Knast besuche.
Oft wünsche ich mir, mir stünde mehr Zeit zur Verfügung. Und das Hilfeangebot innerhalb der Haftanstalten ist sicher auch verbesserungswürdig. Aber da ist der Wunsch Vater des Gedanken, während es in der Realität an Personal und Geldmitteln fehlt.
Kategorie: Strafblog
Permalink: Bin ich Verteidiger oder Mädchen für Alles? – Was inhaftierte Mandanten so alles fordern… und wie man damit umgehen kann
Schlagworte:
vor: Abmahn-Fälle „redtube“ und „debcon“ waren 2013...
zurück: Langsame Staatsanwaltschaft, schnelles Gericht – Die Augsburger...