In der Causa Edathy streiten sich die Gelehrten unter anderem über die Frage, ob der Konsum von Bildern und Videos, die unterhalb der Schwelle der strafbaren Kinderpornografie liegen, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens oder den Erlass von Untersuchungsbeschlüssen rechtfertigen konnten. Ich habe dazu schon meine Meinung gesagt und ein klares „Nein“ bekundet, soweit nicht andere Faktoren, wie z.B. einschlägige strafrechtliche Vorbelastungen, hinzukommen. Belastbare Erkenntnisse dafür, dass derjenige, der sich aus einschlägiger Neigung strafloses Bildmaterial anschaut, erfahrungsgemäß auch strafbares Material besitzt, gibt es – soweit sich dies mir erschließt – gerade nicht.
Bei zeit-online findet sich ein hochinteressantes Interview zu diesem Thema mit dem klinischen Sexualpsychologen Christoph J. Ahlers, der sich unter anderem für das Netzwerk „Kein Täter werden“ engagiert und die auf langjährige Erfahrungen gestützte These vertritt, dass schon viel gewonnen ist, wenn Pädophile nur Darstellungen von Kindern zur sexuellen Stimulation nutzen, die niemanden schädigen und sie von einer praktischen Umsetzung ihrer Neigungen abhalten. Ahlers spricht von einem „Ampelsystem“, das pädophilen Männern helfen soll, keine Kinderpornografie zu benutzen und dadurch straffrei zu bleiben. Die pädophile Neigung sei nämlich – so sagt er sinngemäß – Bestandteil ihrer Persönlichkeit und als solche nicht „heilbar“.
„Grün“ sind nach diesem System Aufnahmen von Kindern, die diese in Alltagssituationen oder in offensichtlich straffreien Posen zeigen, etwa in Wäschekatalogen, im Schwimmbad oder beim Spielen am Strand, auch am FKK-Strand. „Gelb“ sind Aufnahmen, die Kinder leicht bekleidet oder unbekleidet in erotischen bis sexuell aufreizenden Posen zeigen, da befinde man sich schon im strafrechtlichen Problembereich. „Rot“ sind danach Bilder mit Focussierung auf den Genitalbereich oder natürlich die eindeutige Darstellung sexueller Handlungen.
Ahlers äußert sich differenziert zu der Frage, ob der Konsum von Bildern der „grünen“ Kategorie nicht die Gefahr impliziert, damit auf Dauer nicht zufrieden zu sein und immer härteres Material zu konsumieren. Er zieht Vergleiche zu der hoch streitigen Frage, inwieweit der Konsum gewalthafter Videospiele zu tatsächlicher Gewaltanwendung verleitet, oder – anders ausgedrückt – ob nicht Verstärkungseffekte zu befürchten sind. Im Ergebnis meint er wohl, dass schon viel gewonnen ist, wenn Pädophile mit ihrer Neigung so umgehen können, dass sie – sei es auch mit Hilfe des Konsums „grünen“ Bildmaterials – im sozial verträglichen, straffreien Bereich bleiben.
Der Beitrag lässt zwangsläufig viele Fragen offen, beispielsweise auch solche nach dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Kinder, die sicher ganz wichtig sind, aber das war vorliegend nicht der Focus des Interviews. Lesenswert ist es allemal.
Kategorie: Strafblog
Permalink: Das Ampelsystem in der präventiven therapeutischen Behandlung von Pädophilen
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