„Iura novit curia“ lautet ein altes Rechtssprichwort, und obwohl man sich als Verteidiger bisweilen fragt, ob das denn tatsächlich immer so ist, wird ab und zu der Beweis dafür geführt. So wie im Fall eines von mir verteidigten 40-jährigen Mannes, dem am 15. Mai 2014 eine Anklageschrift wegen eines angeblichen sexuellen Missbrauchs zugestellt wurde, der sich vor 25 Jahren abgespielt haben soll. Als damals 15-Jähriger soll er seiner 5 oder 6 Jahre alten Schwester bei einer kurzen Gelegenheit den Finger in die Scheide gesteckt haben. Ich habe darüber vor wenigen Tagen im strafblog berichtet.
Ich hatte mit Schriftsatz vom 20.5. Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens erhoben und geltend gemacht, dass die Tat jedenfalls verjährt wäre. Die Staatsanwaltschaft habe ersichtlich übersehen, dass erst im vergangenen Jahr die Altersgrenze für das Ruhen der Verjährung von 18 auf 21 Jahre angehoben worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei die behauptete Tat jedenfalls schon verjährt gewesen.
Der zuständige Jugendrichter hat im wahrsten Sinne des Wortes kurzen Prozess gemacht. Nein, falsch, er hat es abgelehnt, einen Prozess zu machen, weil in der Tat Verjährung eingetreten sei. Die Entscheidung datiert vom 21. 5.2014. Der Richter ha nicht lange gefackelt, sondern unmittelbar nach Kenntnisnahme meines Schriftsatzes noch am selben Tag entschieden und die Entscheidung auch noch ordentlich begründet. In materiell-rechtlicher Hinsicht hat er zutreffend darauf hingewiesen, dass die behauptete Tat nach altem Recht nicht als besonders schwerer Fall des sexuellen Missbrauchs nach § 176a StGB a.F. zu werten wäre, sondern als einfacher sexueller Missbrauch gem. § 176 Abs. StGB a.F., weil der Angeschuldigte zur Tatzeit noch keine 18 Jahre alt war. Und auch im Übrigen hat er sich meiner (eigentlich ja auch unbestreitbaren) Rechtsauffassung angeschlossen, dass die Tat jedenfalls schon 2011 verjährt war.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten wurden der Staatskasse auferlegt. Das ergibt sich aus § 467 StPO.
Wir erleben es selten, dass ein Gericht so stante pede entscheidet. Dabei spart das Zeit und Aufwand und eine Akte ist weg vom Tisch. Das hilft dem Gericht und demjenigen, dem die Tat zur Last gelegt wird und den das Verfahren belastet. Ein „Chapeau“ für den Richter!
Ich denke, dass die Staatsanwaltschaft gegen die flotte Entscheidung keine Beschwerde einlegen wird. Dafür wird sie das nächste Mal sicher besser aufpassen, wenn es in einem vergleichbaren Fall um die Prüfung der Verjährungsfrage geht.
Kategorie: Strafblog
Permalink: Das ging schnell: Eröffnung des Hauptverfahrens gegen einen 40-Jährigen, der im Alter von 15 einem Mädchen den Finger in die Scheide gesteckt haben soll, wurde abgelehnt
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