„Hättest du geschwiegen …“ – Jan Ullrichs taktisches Verhältnis zur Wahrheit



Veröffentlicht am 23. Mai 2014 von

 

Ob der ehemalige Tour-de-France-Gewinner Jan Ullrich tatsächlich das Zeug zum Philosophen hätte, wenn er in bestimmten Situationen einfach schweigen würde, vermag ich nicht zu sagen. Tatsache ist aber, dass der Mann sich bisweilen ziemlich in den Schlamassel hineinredet, wenn er den Mund aufmacht.

Das kennen wir bereits von seinem jahrelangen Bestreiten jeglichen Dopings, bis er schließlich so überführt war, dass es nichts mehr zu bestreiten gab. Zuvor hatte er unter anderem anlässlich eines Zivilrechtsstreits gegen den Dopingexperten Dr. Franke eine wohl falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben und jeden Dopingverdacht von sich gewiesen. Ein seinerzeit eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde Jahre später wegen Verjährung eingestellt, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt. Ein wegen der Dopingvorwürfe eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen Betruges zum Nachteil seines Rennstalls Team T-Mobile ist im Jahr 2008 gegen Zahlung eines sechsstelligen Betrages gem. § 153a StPO eingestellt worden. In ihrer Einstellungsverfügung hatte die Staatsanwaltschaft festgestellt, dass Ullrich definitiv gedopt habe. Erst im Jahr 2011 hat Ullrich gegenüber dem FOCUS Blutdoping eingeräumt. Sinngemäß hat er damals gesagt, er habe aber niemanden betrogen, da er nur gemacht hätte, was alle Radsportler gemacht haben.

Jetzt wurde der gute Jan erneut der Lüge überführt.

Am Montagabend dieser Woche war Ullrich nach einem Bericht bei bild.de unter Alkoholeinfluss in der Schweiz mit seinem Audi A6 auf einen Citroen Pluriel aufgefahren. Ein drittes Fahrzeug wurde ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Der Sachschaden soll anderen Presseberichten zufolge mehrere 10.000 Euro betragen. Zwei Personen wurden verletzt ins Krankenhaus gebracht. Ullrich soll – so das Ergebnis einer Atemalkoholkontrolle – mit ca. 1,4 Promille BAK unterwegs gewesen sein. Ein Gerichtsmedizinisches Gutachten steht noch aus. Jedenfalls wurde ihm vorläufig die Fahrerlaubnis entzogen. Gegenüber der Schweizer Zeitung BLICK hatte Ullrich zunächst bestritten, dass Alkohol im Spiel war. So ein Unfall könne jedem passieren, hatte er lapidar bekundet.

Inzwischen hat er sich anscheinend eines Besseren besonnen. „Es ist unverzeihlich, dass ich mich unter Alkoholeinfluss ans Steuer gesetzt habe“, wird der 40-Jährige nunmehr zitiert. Er habe die Verletzten im Krankenhaus besucht und sich entschuldigt. Für seinen Fehler müsse er gerade stehen. So eine Läuterung kennen wir doch schon von ihm, oder? Der Mann scheint in kritischen Situationen ein taktisches Verhältnis zur Wahrheit zu haben. Das haben Andere allerdings auch, ich will darüber nicht moralisieren. Aber vielleicht wäre es ja doch besser gewesen, sich zunächst einmal gar nicht gegenüber der Presse zu äußern, anstatt schnell widerlegbare Dinge zu erzählen.

In der Schweiz können Fahrten unter Alkoholeinfluss ab 0,8 Promille mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe belegt werden. Fahrlässige Körperverletzung ist ebenfalls strafbar. Ullrich hatte 2002 in Freiburg schon einmal im Suff einen Unfall gebaut. Damals war er zu einer Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen verurteilt worden. Jetzt könnte es schlimmer für ihn kommen, weil anders als damals nicht nur Sachschaden, sondern auch ein Personenschaden entstanden ist. Aber ins Gefängnis wird er schon nicht müssen, denke ich.

 

 


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