„Das wird verdammt teuer für Sie, Herr Anwalt!“



Veröffentlicht am 29. März 2012 von

Es gibt Verteidigungen, da verdienst du als Anwalt nichts dran. „Pro bono“ nennt man das auf Neuhochdeutsch. Manchmal bringt man auch Geld mit, um verteidigen zu dürfen. So, wie zum Beispiel im Hamburger Piratenverfahren, das jetzt schon mehr als 16 Monate dauert und für mich auch wegen der großen Entfernung zu einem opulenten Zuschussgeschäft geworden ist. Ein somalischer Pirat, der aus dem Elend heraus  seine Taten begangen hat und dann ein paar tausend Kilometer weg von der Heimat verschleppt worden ist, kann halt keinen Anwalt bezahlen. Schlimmer wird´s, wenn du im Rahmen der Verteidigertätigkeit auch noch mit Strafen belegt wirst, wie mir das jetzt bei einem neuen Mandat droht. Den Mandanten kenne ich schon schon von früher, auch wenn ich mich nicht so recht daran erinnere. Er versichert mir aber, dass ich ihn schon vor rund 20 Jahren verteidigt habe, und dann wird es ja wohl stimmen. Deshalb ist er wiedergekommen, er war damals wohl zufrieden mit mir.

Der Mann redet ununterbrochen. Er erklärt mir seinen Fall, rattert wie ein Maschinengewehr, hat rechtlich schon alles ausgelotet, weiß genau, was Sache ist. „Jetzt passen Sie mal auf“, sage ich, nachdem ich 5 Minuten lang seinem Redeschwall standgehalten haben. „Ich passe immer auf“, antwortet er wie aus der Pistole geschossen, „das kostet Sie einen Euro!“. Auf meinen fragenden Blick hin erklärt er mir, dass die benutzte Redewendung verboten sei, das habe ihm sein Therapeut schon vor Jahren beigebracht, als er in stationärer psychiatrischer Behandlung war. Die Verwendung der verbotenen Phrase koste jedesmal einen Euro, das sei nun mal so. Ich schlucke und überlege, wie ich den Mann anders stoppen kann. Der redet ununterbrochen weiter. „Jetzt mal ganz langsam“, meine ich nach weiteren 2 Minuten Informationsflut, die ich kaum noch verarbeiten kann. „Das kostet auch einen Euro“, meint der Mandant ziemlich indigniert. Ich schlucke und halte mich weitere 2 Minuten zurück, schließlich achte ich auf mein Geld. Der Mandant hat seinen Fall inzwischen seziert, hat mir genaue Anweisungen gegeben, was ich zu tun habe, ich frage mich, wofür der überhaupt einen Anwalt braucht. „Schluss jetzt!“, unterbreche ich ihn mit autoritärer Stimmlage, „jetzt bin ich dran“. Und dann rutscht mir gleich zu Beginn meiner geplanten Ansprache, wie der Teufel das will, ein erneutes „Passen Sie auf“ heraus. „Ein Euro“,   sagt der Mandant mit unnachgieber Stimme und fügt hinzu: „Das kann verdammt teuer für Sie werden“.

Er hat mir ein psychiatrisches Gutachten mitgebracht, das ihm eine schizoide Persönlichkeitsstruktur attestiert, aber es gehe keine Gefahr von ihm aus. Immerhin, das beruhigt mich ein wenig.

Wir sprechen über das Honarar und über eine Anzahlung von tausend Euro, die er leisten soll. „Ich überweise dann 997 Euro“, sagt der Mann ungerührt, und passen Sie zukünftig auf, was Sie sagen. „998 Euro“, kontere ich, „Sie haben gerade auch gesagt, das ich aufpassen soll“. Da lacht er, streckt mir die Hand entgegen und sagt: „Wir verstehen uns!“


Kategorie: Strafblog
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