Der Franzl kann´s immer noch: „Die Angreifer haben im Fall Hoeneß ihr Pulver verschossen“



Veröffentlicht am 12. März 2014 von

Beckenbauer, Foto: © Ralf Roletschek - Fahrradtechnik und Fotografie

Beckenbauer, Foto: © Ralf Roletschek – Fahrradtechnik und Fotografie

Es ist zum Mäusemelken: Seit am Montag der Prozeß gegen Uli Hoeneß vor dem Münchener Landgericht begonnen hat, zermartern wir Strafjuristen und manche, die das zumindest gerne sein möchten, in TV-Sendungen,  Zeitungs- und Blogbeiträgen unsere Hirne und versuchen, die Strategie der Verteidigungsriege des Bayern-Bosses zu verstehen. Warum in aller Welt sind die so spät damit herausgekommen, dass der zeitweise verzockte Uli nicht nur – wie es in der Anklage steht – 3,5 Millionen Euro an der Steuer vorbeigeschoben hat, sondern noch weitere 15 Millionen? Und wieso haben die sich auch da noch verrechnet, obwohl die ehrenwerte Vontobel-Bank doch schon im Januar 2013 die Kontounterlagen zur Verfügung gestellt hat und mehr als ein Jahr Zeit bestand, mal richtig zu kalkulieren? Die Steuerfahnderin, die gestern vor Gericht ausgesagt hat, hatte nur 2 Wochen Zeit und hat trotzdem noch weitere 9 Millionen gefunden, insgesamt seien es bei vorsichtiger Schätzung mindestens 27,5 Millionen Euro gewesen. Das wiederum soll der Kollege Feigen als Hauptverteidiger am heutigen Verhandlungstag unstreitig gestellt haben, wird in den Medien berichtet. Da scheint jemand innerhalb von 2 Tagen deutlich klüger geworden zu sein. Wieso nicht schon früher?

Und überhaupt, frage ich mich, warum hat die Verteidigung der Staatsanwaltschaft die Unterlagen noch kurz vor dem Prozess per USB-Stick zur Verfügung gestellt, nachdem mehr als ein Jahr erfolgreich gemauert wurde? Um die verunglückte Selbstanzeige doch noch vollständig zu machen? War das nicht ein bisschen spät? Wäre es nicht klüger gewesen, den Mandanten wegen der von der StA ermittelten 3,5 Millionen zu einer moderaten Strafe verurteilen zu lassen, auch wenn die vielleicht nicht mehr bewährungsfähig wäre, und dann wegen weiterer im selben Tatzeitraum hinterzogener Beträge Ruhe zu haben, weil Strafklageverbrauch eintreten würde? Da wird vieles hin und her erwogen worden sein, die letztlich eingeschlagene Verteidigungslinie bleibt für mich reichlich kryptisch.

Die kommentierenden Kollegen und die versammelte Journaille scheinen der bayerischen Justiz alles Mögliche und vor allem Unmögliche zuzutrauen. Auch bei 27, 5 Millionen Euro hinterzogener Steuern wird immer noch räsoniert, ob für den Uli nicht doch noch eine Bewährungsstrafe in Betracht kommen könnte. Eigentlich – da sind sich fast alle einig – geht das nicht. Aber da steht ja nicht irgendwer vor Gericht, sondern ein Mann, der in Bayern für manche so unantastbar wie der Papst ist, auch wenn er jetzt gewisse Fehler einräumt. Den kann man doch nicht ins Gefängnis stecken, oder etwa doch? Vielleicht fallen dem strengen Richter Rupert Heindl und seinen Kollegen ja doch noch ein paar besonders strafmildernde Argumente ein, die dem mächtigen Fußballpaten den Fall in den Abgrund ersparen. Es wird eng, das ist allen klar, aber ein Spiel dauert bekanntlich 90 Minuten plus Verlängerung, da kann sich noch was tun!

Ein Glück, dass wir bei all den offenen Fragen noch den Franzl haben. Der ist zwar nicht Papst, aber irgendwie immer noch Kaiser, und ex cathedra sprechen kann der auch. Und deshalb hat er uns heute mal wieder so richtig über die Sach- und Rechtslage aufgeklärt.  „Im Moment schaut’s vielleicht nicht ganz so gut für den Uli aus, aber ich habe bislang noch keine Verteidigung gesehen“, wird Beckenbauer bei faz.net  zitiert. „Die Angreifer haben die Fakten offengelegt, haben mehr oder weniger ihr Pulver verschossen. Jetzt liegt es an der Verteidigung, diese Punkte zu klären.“ Na also, da geht noch was, die bislang wohl aus taktischen Gründen weitgehend unsichtbare Verteidigung wird die passenden Argumente schon liefern. Und zwar – wie es ausschaut – schon morgen im Plädoyer, denn da soll das sensationelle Verfahren seinen frühen Abschluss finden. Das jedenfalls hat die Gerichtssprecherin Andrea Titz laut n-tv.de so mitgeteilt.

Für mich ist diese schnelle Erledigung in Anbetracht der frisch auf den Tisch gekommenen neuen Tatsachen reichlich erstaunlich. Wie, frage ich mich, kann das Gericht den Inhalt von über 50.000 Seiten neuer Beweismittel und die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen innerhalb von 2 oder 3 Tagen prüfen und rechtssicher in ein Urteil einbinden? Richter Heindl soll ja laut n-tv.de heute verlautbart haben, die Kammer werde nicht von den angeklagten 3,5 Millionen, sondern von den neuen Zahlen ausgehen. Wow!!! Selbst wenn die Verteidigung bekundet hat, sie trete den neuen Zahlen nicht entgegen, muss das Rechenwerk doch trotzdem noch ernsthaft geprüft werden, oder etwa nicht? Aber gut, Menschen haben ein unterschiedliches Tempo. Die Verteidigung brauchte 13 Monate, um die Zahlen aufzubereiten, die Steuerfahndung 2 Wochen, um das alles zu überrechnen und zu eigenen – abweichenden – Ergebnissen zu kommen, und das Gericht schafft es halt in ganz wenigen Tagen. Nix da mit „iudex non calculat“, die rechnen sogar irrwitzig schnell.

Aber vielleicht kommt ja Alles doch noch irgendwie ganz anders in dem an Überraschungen reichen Verfahren. Auch da kann ich mich auf einen legendären Spruch des Kaisers berufen: „Schau´n mer mal!“

 

 


Kategorie: Strafblog
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