Das war am Freitag ein langer Trip zu einer Besprechung mit einem in der JVA Kempten inhaftierten Mandanten. In der Sache geht es um das von der Staatsanwaltschaft Augsburg betriebene Ermittlungsverfahren wegen eines europaweit agierenden Umsatzsteuerkarussells, über das ich im strafblog schon verschiedentlich berichtet habe.
Am Montagmorgen hatte ich noch gehofft, dass die Beschwerdekammer in Augsburg der von mir eingelegten weiteren Beschwerde gegen den Haftbefehl abhelfen würde, nachdem zwei andere Beschuldigte, die mein Mandant als Geschäftsführer für eine später von der Staatsanwaltschaft als „missing trader“ eingestufte GmbH angeworben haben soll, unter Aufhebung der gegen sie bestehenden Haftbefehle auf freien Fuß gesetzt worden waren. Aber dann hatte mir die Beschwerdekammer rund 50 Seiten weitere Ermittlungsvorgänge zugefaxt, die von der Staatsanwaltschaft vorgelegt worden waren und aus denen sich neue Aspekte ergaben, die jedenfalls prima facie zusätzlich belastend wirkten. Wohl im Hinblick hierauf hat die Kammer der Beschwerde nicht abgeholfen und diese an das OLG München zur Entscheidung weitergeleitet. Wegen dieser neuen Aspekte bestand Gesprächsbedarf, so dass ich nach Kempten reisen musste.
Das hieß für mich, um 5 Uhr aufstehen, Kaffe trinken und zum Flughafen nach Düsseldorf fahren, von wo der Flieger um 7:35 Uhr in Richtung München starten sollte. Wie gesagt, starten sollte, denn aus unerfindlichen Gründen gab es trotz rechtzeitigen Boardings zunächst keine Starterlaubnis, so dass sich der Abflug um 40 Minuten verzögerte. In München gab es dann zunächst Probleme bei der Übergabe des per Internet gebuchten Mietwagens, so dass ich mit weiterer halbstündiger Verzögerung die 160 Kilometer lange Reise nach Kempten antreten konnte. Nach einem kurzen Mittagsmahl ging´s in die JVA, die mir zum wiederholten Mal wegen ihres besonders freundlichen Personals auffiel. Ob das immer so ist, weiß ich nicht, vielleicht mögen die mich ja auch nur wegen meines rheinischen Akzents. Um 14:15 Uhr machte ich mich schließlich mit wichtigen Informationen, die mir mein Mandant gegeben hatte, auf den Rückweg zum Münchener Flughafen, wo der Rückflug um 17:15 Uhr starten sollte. Als Boardingzeit hatte die Lufthansa 16:50 Uhr vorgegeben, was zeitlich eigentlich keine Problem darstellen sollte. Eigentlich ….
Mit einer Stunde und 35 Minuten hatte meine Navi die Fahrtzeit kalkuliert, aber damit war der bayerische Freitagsnachmittagsverkehr nicht einverstanden. Kurz vor Landsberg gab´s Stau, und der sah nicht gut aus. Meine Navi schlug eine 17 Minuten kürzere Alternativstrecke durch die knapp 30.000 Einwohner beherbergende Kreisstadt vor, und weil die Dame in dem kleinen Apparat so überzeugend auf mich einredete, ließ ich mich darauf ein. So wechselte ich von einem Stau in den anderen, und der quälte sich im Schritttempo durch die Stadt, bis ich an einer Brücke landete, die über den Lech führen sollte, aber leider gesperrt war. Das war wohl die Ursache für den Stau, und weil der Verkehr sich dann gar nicht mehr bewegte, beschloss ich, umzukehren und zurück zur Autobahn zu fahren. Dort hatte sich der Stau inzwischen ein wenig gelockert und war in zähfließenden Verkehr übergegangen, was in Anbetracht des zwischenzeitlichen Zeitverlustes von sicher einer halben Stunde wenig tröstlich war. 17:05 Uhr gab die Navi jetzt als Ankunftszeit an, und ich musste ja immerhin auch noch den Mietwagen zurückgeben und den Weg vom Parkhaus zum Terminal schaffen. Über meine iPhone-App erfuhr ich, dass mit pünktlichem Abflug zu rechnen war. So ist das fast immer: Verspätungen kommen, wenn man sie nicht braucht, und das ist ziemlich häufig der Fall, aber wenn man darauf angewiesen wäre, dass sich Abfahrt oder Abflug wenigstens ein wenig verzögern, dann sind Zug oder Flieger überpünktlich. Es una barbaridad, wie der Spanier sagt.
Im Geiste war ich schon dabei, das geplante Abendprogramm abzusagen. Ich hatte Karten für ein Kulturereignis gebucht, die würden wohl verfallen. Und das wegen eines Umsatzsteuerkarussels, mit dem ich selbst nicht das Geringste zu tun habe. Jedenfalls nicht unmittelbar.
Irgendwie ist es mir gelungen, ein paar Minuten wieder rauszuholen. Näheres hierzu erspare ich mir im Hinblick auf das Selbstbelastungsverbot. Um Punkt 17 Uhr erreichte ich den Rental Car Return am Flughafen. Meine Lufthansa-App hatte mich bis dahin bereits mehrfach an die Boarding-Zeit 16:50 Uhr erinnert. Ganz schön nervig, so eine App, wenn man verspätet ist. Ich hatte mich dazu entschieden, aus Zeitgründen auf das Betanken des Mietwagens zu verzichten, auch wenn dann jeder fehlende Liter Sprit mit rund 2,70 Euro berechnet wird. Auto abstellen, die Navi auf den Sitz werfen, sich von der Servicekraft das mündliche Versprechen geben lassen, dass die auch wirklich zurückgegeben wird, und dann der Spurt ins Flughafengebäude. Natürlich hat mich der Zufallgenerator an der Sicherheitsschleuse dazu ausgewählt, besonders gründlich abgetastet zu werden. Und in meinen Aktenkoffer wollte die nette Dame schauen, die hinter der Gepäckdurchleuchtung am Band stand. Na klar, muss ja sein, wenn man es besonders eilig hat.
Schweissnass war ich, als ich am Gate ankam, aber als ich meine elektronische Bordkarte mittels iPhone auf den Scanner legte, öffnete sich der Durchgang zur Gangway auf magische Weise und ich gelangte als letzter Passagier in die Maschine. Das Wochenende konnte beginnen.
Kategorie: Strafblog
Permalink: Der lange Weg zur JVA Kempten und zurück
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