Sofern Farben überhaupt eine psychologische Wirkung auf mich ausüben, hat mich selten eine Farbe so aggressiv gemacht wie das durchdringende Pink, in dem das komplette Kinderzimmer meiner früheren Ziehtochter gestrichen war. Nun mag es sein, dass ich in mancher Beziehung anders reagiere als die meisten meiner Mitmenschen (Wer wollte das nicht von sich behaupten?). Jedenfalls nehme ich eine aus den USA stammende Theorie zur Kenntnis, wonach rosafarben gestrichene Gefängniszellen beruhigend auf besonders aggressive Gefängnisinsassen wirken sollen. Die Justizvollzugsanstalten Dortmund und Hagen haben dieses Konzept jetzt versuchsweise übernommen und die Hochsicherheitszellen in dem „Cool Down Pink“ genannten Farbton gestrichen.
Die Leiterin der JVA Dortmund erklärte hierzu: „ Das Konzept ist in der Schweiz und den USA erprobt. Dort wurden sehr positive Erfahrungen gesammelt. Es ist auch wissenschaftlich belegt, dass die Farbe Wirkung zeigt: Blutdruck und Puls gehen schneller runter, und die Menschen lassen sich einfacher beruhigen.“
Schön wäre es. Noch schöner allerdings, wenn die verkrustete Justiz sich jenseits von Lippenbekenntnissen und Farbeimern Gedanken darüber machen würde, wie man den Gefängnisaufenthalt von Inhaftierten so menschlich gestalten könnte, dass selbst der friedliebenste Gefangene nicht zwangsläufig aggressiv werden müsste. Wenn er die Chance bekäme, natürliche Aggressionen – wie wir sie alle in uns tragen – aktiv abzubauen. Nicht jeder Missstand lässt sich übertünchen – auch nicht mit Ideen, die bezeichnenderweise dem auf dem alttestamentarischen Rachegedanken basierenden Strafvollzug der USA entlehnt sind.
In einem Vorwort zur Situation der Justizvollzugsanstalten in NRW schrieb die vormalige CDU-Justizministerin Müller-Piepenkötter: „…. dass es gelungen ist, den hohen Standard des Justizvollzugs in Nordrhein-Westfalen sowohl hinsichtlich Behandlung als auch Sicherheit zu halten und die Haftbedingungen in Schwerpunktbereichen weiter zu optimieren. ….. Anhaltender Belegungsdruck, schwierige Gefangenenklientel und knappe Ressourcen verlangen in vielen Bereichen neue Lösungen. ….. „
Niemanden verwundert es, dass politische Broschüren dazu da sind, Dinge schön zu färben. Fakt aber ist, dass zwar in den letzten Jahren -etwa in Aachen und Ratingen – millionenteure neue Gefängnisse erbaut wurden, sich aber an den in meinen Augen menschenunwürdigen Haftbedingungen nichts geändert hat – nur sicherer sollen diese Anlagen sein.
Nach dem aus den 70iger Jahren stammenden Resozialisierungsgedanken sollten Gefangene durch den Vollzug wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden. Der Gefangene sollte sich auch im Vollzug als Subjekt – und nicht nur als ohnmächtiges Objekt staatlicher Gewalt – begreifen lernen. Er sollte lernen und fühlen, dass der – wenn auch strafende – Staat es letztlich gut mit ihm meint, dass im doppelten Sinne erklärte Regeln auch für ihn Sinn machen und es einen Grund gibt, diesen Staat mit seinen Gesetzen zu akzeptieren. Damit man mich nicht falsch versteht: Es ging nicht darum, Menschen wegen ihrer Straftaten durch Unterbringung in luxushotelartigen Suiten zu belohnen, sondern sie tatsächlich zu erziehen und zu bessern. Es ging um die Verringerung der Rückfallquoten und damit auch um den Begriff „ Sicherheit“ – aber offensichtlich in einem ganz anderen Sinne, als ihn die vormalige Ministerin Müller-Piepenkötter in ihrer rosafarbenen Broschüre verstanden wissen will. Es ging um ein langfristiges gesellschaftliches Sicherheitskonzept, das sich nicht in Legislaturperioden – in denen Politiker zu denken scheinen – erreichen lässt, dafür aber nachhaltig hätte sein können.
Um ein solches Ziel zu erreichen, müsste man sich allerdings von fragwürdigen Konzepten aus den USA abwenden und nur einen Blick in unser Nachbarland Holland werfen. Abgesehen davon, dass die dort ausgeworfenen Strafen z.T. deutlich geringer und damit pädagogisch sinnvoller ausfallen, ist auch der Strafvollzug deutlich humaner und unter dem Strich wahrscheinlich sogar billiger. Die Haftanstalten sind jedenfalls bei kleiner bis mittlerer Kriminalität in kleinen Wohngruppen organisiert. Die Gefangenen kochen z.B. für sich selbst, gehen den angebotenen sinnvollen Beschäftigungen / Arbeit nach und werden auf ihre Freilassung systematisch durch Sozialarbeiter vorbereitet.
Und wie sieht die Realität bei uns aus, Frau Ex-Ministerin Müller-Piepenkötter, Herr Justizminister Kutschaty? Ich will es Ihnen anhand meines ehemaligen Mandanten Hans aus den Niederlanden berichten:
Hans, ein freundlicher, durchaus gebildeter Familienvater, mit der illegalen Geschäftsidee eines „Fleurop-Haschisch-Handels“, wurde wegen eben dieser Idee zu einer Freiheitsstrafe von 9 Jahren verurteilt. In den 9 Monaten seiner Untersuchungshaft saß er 23 Stunden am Tag in seiner engen Zelle in der Untersuchungshaftanstalt Kleve. Diese Zelle teilte er sich mit ständig wechselnden anderen Gefangenen. Das waren z.T. heruntergekommene Junkies auf Entzug, Gewaltverbrecher, die ihn in Angst und Schrecken versetzten, Menschen aus anderen Ländern, deren Sprache er nicht verstand, aber auch bemitleidenswerte Wracks der menschlichen Spezies, die neben die Toilette pinkelten und kackten. Weder in dieser Anstalt noch in den allermeisten anderen Anstalten gibt es – bis auf wenige Stellen in der Küche oder im Reinigungsdienst – brauchbare Arbeitsmöglichkeiten. Bis auf eine Stunde Gemeinschaftssport in der Woche und dem einstündigen Hofgang am Tag hockt man ohne ausreichende Bewegungsmöglichkeit in seinem Loch.
Nach seiner Verurteilung wechselte Hans in die JVA Willich. An seinen Haftbedingungen änderte sich in den nächsten Jahren nichts. Hans wurde krank, schwach, depressiv und ja – wen sollte es wundern – teilweise auch aggressiv. Als er vor 3 Jahren aus der Haftanstalt ausgespuckt wurde, war er ein anderer Hans geworden, ein gebrochener, grauhaariger Mann, der mir bei unserem Abschied sagte, er wolle nie wieder einen Fuß in dieses Land setzen. Ich frage mich, was Hans zu der Diskussion um die rosafarbenen Zellen sagen würde.
Nachtrag: Die CDU-NRW beschwerte sich unlängst beim amtierenden Justizminister Kutschaty über die neuen rosafarben Zellen in Dortmund und Hagen. In dem Brief des CDU-Rechtsexperten Peter Biesenbach an den Justizminister heißt es: „Nach meinen Informationen haben sich die Fachdienste der JVA Dortmund vehement gegen den rosafarbenen Anstrich von Hafträumen ausgesprochen, da dieser Farbton mit erheblichen Vorurteilen belastet sei.“
Diese Betrachtungsweise deutet auf ein Problembewusstsein hin, wie es eben nur von Experten entwickelt werden kann. Wenn die Farbe rosa irgendeine positive Wirkung auf Menschen haben sollte, wünschte ich mir für Herrn Biesenbach ein vollständig in rosa gehaltenes Dienstzimmer, einen rosa Dienstwohnung und einen rosa Dienstanzug mit gleichfarbigem Schlips. Nur seine rosarote Brille nähme ich ihm und all seinen scheinheiligen Kollegen (egal welcher politischer Couleur ), die die Realität selbst mit Brille nicht zur Kenntnis nehmen wollen, ab!
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