2 Jahre mit Bewährung lautete der Urteilspruch, den das Jugendschöffengericht in Mönchengladbach heute nach längerer Beratung entsprechend den übereinstimmenden Anträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung in einem Verfahren wegen mehrfachen sexuellen Missbrauchs eines 12-jährigen Mädchens verkündete. Als Verteidiger hatte ich schon im Vorfeld der Verhandlung mit Staatsanwaltschaft und Gericht Kontakt aufgenommen und über die Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung gesprochen.
Sowohl der Täter, immerhin schon auf Mitte 60 zugehend, als auch das Tatopfer gehören zu den Menschen, die eher auf der Schattenseite des Lebens stehen. Er hatte im Alter von Ende zwanzig einen schweren Arbeitsunfall, der nach einiger Zeit in die Invalidität und Dauerarbeitslosigkeit geführt hatte, war danach psychisch krank geworden und hatte ein erhebliches Alkoholproblem bekommen. Seit Jahren steht er unter Betreuung. Das Kind stammt aus einem sozial schwierigen Milieu und ist nach Aktenlage geistig behindert. Seit Jahren hat das Kind den Mann mit Wissen seiner Mutter fast täglich in dessen Wohnung besucht, dort gegessen, getrunken – zuletzt auch immer wieder alkoholische Getränke – und geraucht. Der Mann, zweimal geschieden und seit vielen Jahren allein, hatte in seiner Einsamkeit seine Wohnung für jeden, der einen Aufenthalt suchte, geöffnet, Obdachlose, Trinker und andere Einsame gaben sich dort die Klinke in die Hand. Weil er emotionale Zuwendung suchte, ließ er sich gerne ausnutzen, kaufte Essen und Getränke für seine Gäste und lieh ihnen Geld, das er nur in den seltensten Fällen zurückbekam.
Das Mädchen wurde größer, kam in die Pubertät. Angeblich soll das Kind erste sexuelle Erfahrungen mit Anderen gemacht haben, bevor es zu Intimitäten mit meinem Mandanten kam. Wohl aufgrund ihrer geistigen Retardierung hatte sie keine Scheu vor ihm, möglichweise ging sogar die Initiative zu sexuellen Handlungen von ihr aus. Und er konnte nicht sein sagen, obwohl er wusste, dass er in gravierendem Maße Grenzen verletzte, wenn er sich mit ihr einließ. Er habe es einfach nicht über sein Herz gebracht, sie der Wohnung zu verweisen, meinte er vor Gericht, obwohl er das hätte tun sollen.
Mein Mandant ist schließlich selbst zur Polizei gegangen und hat ein Geständnis abgelegt, um seiner Festnahme zuvorzukommen. Zweieinhalb Monate hat er bis zur heutigen Verhandlung in Untersuchungshaft gesessen, eine für ihn schmerzhafte Zeit. Für das Kind ist die Situation sicher auch nicht leicht. Vielleicht empfindet es die Tatsache, dass es mit meinem Mandanten seinen Ansprechpartner verloren hat, schlimmer als den sexuellen Missbrauch, wer weiß das schon.
Das Gericht hat im allseitigen Einverständnis darauf verzichtet, das Kind als Zeuge zu hören. Vielleicht wäre von ihm auch keine brauchbare Aussage zu erwarten gewesen. Mein Mandant hat das Tatgeschehen im Wesentlichen eingeräumt, so, wie er das konnte. Die Richterin, die Staatsanwältin und die Schöffen haben sich große Mühe gegeben, das Geschehen nachzuvollziehen und sich ein Bild von dem Angeklagten zu machen. Sie zeigten Mitgefühl und hatten Sorge. Sorge, dass sich ein solches Geschehen wiederholen könnte. Das kann ich gut nachvollziehen. Was macht man mit einem solchen Menschen, der ein vom Schicksal Geschlagener ist und nicht akzeptierbare Taten begangen hat?
Man müsse im Rahmen von Bewährungauflagen ein engmaschiges Sciherheitsnetz knüpfen, um eine Wiederholungsgefahr zu minimieren, hat die Staatsanwältin gesagt. Dann könne sie in Anbetracht fehlender Vorstrafen, eines vollwertigen Geständnisses und seiner gezeigten Unrechtseinsicht eine Bewährungsstrafe verantworten. Ich habe dem zugestimmt. Möglich war dies ohnehin nur, weil alle Beteiligten übereinstimmend von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit ausgegangen sind.
Das Gericht hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Es hat einen Bewährungshelfer bestellt, der besondere Erfahrungen mit Missbrauchstätern hat. Es hat dem Mann zur Auflage gemacht, sich von Kindern und Jugendlichen fernzuhalten und diese insbesondere ohne Begleitung von Erwachsenen nicht mehr in seine Wohnung zu lassen. Der Betreuer, der in der Verhandlung anwesend war, wirft ebenfalls ein zusätzliches Auge die Situation. Und weil der Mann eine halbwegs ordentliche Rente bezieht, muss er noch 1.000 Euro in monatlichen Raten an eine Einrichtung zahlen, die sich gegen sexuellen Missbrauch engagiert. Das soll ihn regelmäßig daran erinnern, dass sich solche Dinge nicht wiederholen dürfen.
Das Urteil ist sofort rechtskräftig geworden. Wir hoffen alle, dass es auch richtig ist. Das wird die Zukunft zeigen.
Kategorie: Strafblog
Permalink: Täter und Opfer als Schattenkinder der Gesellschaft – Bewährungsstrafe für sexuellen Missbrauch
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