Heute morgen bin ich beim Stöbern auf einen alten Blogbeitrag gestoßen, den ich im März 2006 geschrieben habe und jetzt – in leicht veränderter Form – wegen seiner relativen Zeitlosigkeit noch einmal wiedergeben möchte:
“ Am Wochenende habe ich in einer Frankfurter Buchhandlung ein Exemplar der Immendorf-Bibel erstanden, ein fast 1.000 Seiten starkes Werk im Din A4-Format mit 24 Bildern des Düsseldorfer Malers Jörg Immendorf. Ich habe ein wenig darin herumgeblättert und seit langem mal wieder einen Blick ins 5. Buch Mose, das Deuteronomium, geworfen. Das ist zum Teil schon erschreckend, was da so drinsteht. Die von Moses proklamierten Strafen sind bisweilen gnadenlos und die Todesstrafe eine Selbstverständlichkeit. Manchmal begegnen mir Richter, denen ich eine alttestamentarische Einstellung zum Strafen vorwerfe. Jetzt weiß ich wieder besser, wovon ich dann rede. Aber manche der angeordneten Rechtsfolgen sind auch unkonventionell und erscheinen fast schon liberal.
Bisweilen fragt sich, wer schwerer unter der Strafe trägt, der Täter oder sein Opfer. Beispiel: „Wenn ein Mann dabei ertappt wird, dass er ein unberührtes Mädchen vergewaltigt, muss er dem Vater des Mädchens 50 Silberstücke geben. Er muss das Mädchen zur Frau nehmen, weil er es entjungfert hat; er darf es zeitlebens nicht mehr wegschicken“ (5. Buch, 22. Kap., 28-29).
Nicht unbedingt nachvollziehbar erscheint mir – gemessen an unseren heutigen Vorstellungen – die folgende Regel: „Wenn zwei Manner in Streit geraten sind und die Frau des einen kommt ihrem bedrängten Mann zu Hilfe und packt den anderen bei den Hoden, dann dürft ihr kein Mitleid mit ihr haben; ihr müsst ihr die Hand abhacken“ (5. Buch, 25 Kap., 11-12).
Interessant auch die Regeln zur Ehe mit kriegsgefangenen Frauen: „Wenn einer von euch unter den Gefangenen ein Mädchen sieht, das ihm so gut gefällt, dass er es heiraten möchte, darf er es mit sich nach Hause nehmen. Dort soll das Mädchen sich den Kopf kahl scheren, die Nägel schneiden, neue Kleider anziehen und einen Monat über seine erschlagenen Eltern trauern. Danach darf der Betreffende es zur Frau nehmen. Wenn ihm die Frau später nicht mehr gefällt, muss er sie freigeben. Er darf sie nicht als Sklavin verkaufen oder selbst als Sklavin behalten; denn sie ist seine Frau gewesen“ (5. Buch, 21. Kap., 10-14).
Fazit: Der Blick ins Gesetz erleichtert bekanntlich die Rechtsfindung. Der Blick ins Alte Testament zeigt dem Strafverteidiger, wie gut wir´s bei aller berechtigten Kritik an manchen gesetzlichen Verirrungen doch heute haben …“
Kategorie: Strafblog
Permalink: Die Immendorf-Bibel und der Schrecken des Deuteronomiums, oder: Was Männer wollen und Frauen nicht dürfen
Schlagworte:
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