Eigene Blödheit: Berufung verworfen, Bewährung futsch



Veröffentlicht am 2. März 2012 von

Cannabispflanzen, Foto: Michael_w

„Das war wirklich eigene Blödheit“, bestätigte mir der Mandant heute Morgen, nachdem die Jugendkammer des Mönchengladbacher Landgerichts seine Berufung gegen ein Urteil des Jugendschöffengerichts verworfen hatte.

Erstinstanzlich war der 19-Jährige wegen Beihilfe zum schweren Raub und wegen versuchter räuberischer Erpressung zu einer Jugendstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt worden, die von Gesetzes wegen nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden konnte. Der aus guter Familie stammende junge Mann hatte seit seinem 15. Lebensjahr in steigendem Maße – seit geraumer Zeit täglich – Marihuana konsumiert und Schule und Arbeit sträflich vernachlässigt. Er war einige Male mit dem Gesetz in Konflikt geraten und deshalb mehrfach jugendrichterlich verwarnt und mit Arresten belegt worden.

Im April des vergangenen Jahres hatte er nach den Urteilsfeststellungen einem Kumpel, der Geld für Drogen benötigte, sein Fahrrad und eine Schreckschusspistole zur Verfügung gestellt, womit dieser eine Spielhalle überfallen wollte. Tatsächlich klappte der Überfall und der Kumpel erbeutete mehr als 1.000 Euro. Hierdurch motiviert, beschloss der 19-Jährige, selbst einen Überfall zu begehen, um an Geld für Drogen zu kommen. Ebenfalls noch im April betrat er maskiert und mit der Schreckschusspistole in der Hand einen Kiosk und forderte den Besitzer auf, das Bargeld aus der Kasse zu nehmen und in eine mitgebrachte Plastiktüte zu packen. Um die Ernsthaftigkeit der Drohung zu unterstreichen, schoss er mit der Pistole in die Luft. Der Kioskbesitzer erkannte aber, dass es sich nicht um eine scharfe Waffe handelte. Anstatt das Geld herauszugeben, warf er mit einer Getränkedose nach dem Räuber. Der schoss noch einmal in die Luft und flüchtete dann aus dem Kiosk.

Ich hatte erstinstanzlich auf eine Bewährungsstrafe von 2 Jahren plädiert und die Aufhebung des Haftbefehls beantragt. Das Gericht hatte sich hierzu nicht bereitgefunden und  den Haftbefehl aufrecht erhalten. Erst nach insgesamt knapp 7 Monaten Untersuchungshaft war es mir im Haftprüfungsverfahren gelungen, bei der Berufungskammer eine Haftverschonung zu erreichen, nachdem eine Therapiestelle sich bereitgefunden hatte, den Mandanten außerhalb einer Zurückstellung der Vollstreckung gem. den §§ 35, 36 BtmG aufzunehmen. Bei der Haftverschonung hatte der Vorsitzende der Berufungskammer ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies eine nicht selbstverständliche Chance sei, die er unbedingt nutzen müsse.

Es war auch für mich ziemlich frustrierend zu erfahren, dass die Therapieeinrichtung den Knaben nach einigen Wochen rausgeschmissen hatte, weil er morgens nicht aus dem Bett kam und wiederholt verspätet oder gar nicht zu Gruppengesprächen erschienen war. Obwohl alle Drogenscreenings negativ waren, war der zuständige Therapeut schließlich nicht mehr bereit, ihn in der Einrichtung zu behalten.

Zwar hat die Strafkammer darauf verzichtet, den Haftbefehl danach wieder in Vollzug zu setzen. Heute bekam der Mandant aber die Quittung. In seiner Urteilsbegründung machte der Vorsitzende Richter Beckers deutlich, dass es ohne den Rauswurf aus der Therapie wohl zu einer Strafaussetzung zur Bewährung gereicht hätte. Zwar hätte die Verteidigung etliche gute Argumente angeführt, die für den Angeklagten  sprächen. Insbesondere die Tatsache, dass er inzwischen wieder zur Schule gehe, um einen qualifizierten Schulabschluss zu  erreichen, spreche für ihn. Die Kammer habe aber zu große Zweifel an seiner Zuverlässigkeit, zumal er auch in der Vergangenheit wiederholt gerichtliche Auflagen nicht erfüllt hätte. Deshalb sei das Gericht  der Auffassung, dass er jedenfalls eine weitere Therapie – diesmal im Sinne der §§ 35, 36 BtmG – machen müsse, um sich zu stabilisieren und dauerhaft vom Drogenkonsum runterzukommen. Sollte er die Therapie, um die er sich jetzt umgehend kümmern müsse, erfolgreich absolvieren, werde die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt.

Das Gericht hat den Haftbefehl trotz der Verwerfung der Berufung nicht wieder in Vollzug gesetzt, um dem jungen Mann die Gelegenheit zu geben, sich selbst um die Therapiestelle zu kümmern. Eine nicht selbstverständliche Hilfe zur Selbsthilfe ist das. Jetzt liegt es an dem 19-Jährigen, die Chance beim Schopf zu ergreifen und das Vertrauen, dass trotz allem in ihn gesetzt wird, zu rechtfertigen.

 


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