Eine zeitnahe Berichterstattung über ein nicht selbst erlebtes Ereignis birgt immer das Risiko, dass die zur Verfügung stehenden Information unvollständig oder falsch sind und deshalb Unrichtiges weitertransportiert wird. So ist mir das in der vergangenen Woche gegangen, als ich über den skurrilen Amoklauf in zwei Rechtsanwaltskanzleien im Düsseldorfer Raum berichtet habe, in dessen Folge inzwischen drei Menschen, darunter zwei Anwaltskollegen, gestorben sind.
Die Polizei hatte nach Presseberichten zunächst angegeben, dass die getötete Kollegin Ulrike F. den Attentäter in einer familienrechtlichen Angelegenheit – möglicherweise ein Scheidungsverfahren – vertreten und dann an einen Erkrather Kollegen weitervermittelt hätte. Daraufhin hatte ich einen strafblog-Beitrag mit dem Titel „Familienrechtsanwälte leben gefährlich: Rechtsanwältin und Rechtsanwaltsfachangestellte von durchgeknalltem Mandanten erschossen“ überschrieben und mich zu den spezifischen Berufsrisiken von familienrechtlich tätigen Kollegen geäußert.
Inzwischen stellt sich die Angelegenheit anders dar. Der 48-jährige Yanquing T. hatte die Düsseldorfer Kollegin in einem Strafverfahren wegen Körperverletzung mandatiert, nachdem er im Jahr 2011 in Goch die Inhaberin einer Pizzeria angegriffen und geohrfeigt hatte. In dem nachfolgenden Prozess war er zu einer Geldstrafe und zur Zahlung von Schmerzensgeld verurteilt worden. Das fand er wohl ungerecht und lastete die Niederlage seiner Anwältin an. Deshalb wollte er – wenn die jetzt veröffentlichten Informationen stimmen – einen Erkrather Kollegen beauftragen, seine Verteidigerin zu verklagen. Das soll der Kollege abgelehnt haben.
Was immer sich im Kopf des Mannes in den letzten Wochen abgespielt haben mag, es kulminierte anscheinend in dem Vorsatz, sich für die vermeintlich erlittene Unbill an den beteiligten Anwälten zu rächen. Die Kollegin F. wurde am vergangenen Freitag in ihrer Kanzlei erschossen und eine weiterer zufällig anwesender Anwalt wurde so schwer verletzt, dass er am Samstag starb. Nachdem er die Düsseldorfer Kanzleiräume in Brand gesetzt hatte, begab er sich dann in die Erkrather Kanzlei, wo er den Kollegen, der sich geweigert hatte, gegen die Düsseldorfer Anwältin vorzugehen, nicht antraf. Dafür tötete er dort eine Anwaltsgehilfin, die sich ihm entgegenstellte. Einfach schrecklich, sich vorzustellen, dass so etwas jederzeit passieren kann. Psychopathische Mandanten sind ja nicht gerade eine Seltenheit in Strafrechtskanzleien.
Von Erkrath aus hat der durchgeknallte Mann sich dann offensichtlich zum Ausgangspunkt seiner Aggression, nämlich in die Pizzeria nach Goch, begeben und dort die seinerzeit von ihm geohrfeigte Inhaberin angegriffen. Auf deren Töchter, die sich schützend vor die Mutter stellten, muss er dann auch geschossen haben, wobei die eine leicht und die andere schwer verletzt wurde. Mit Hilfe von couragierten Nachbarn und Passanten, die nach den Schüssen in die Pizzeria gestürmt waren, konnte der tobende Mann dann zu Boden gebracht und festgehalten werden, bis die Polizei kam.
Es dauerte danach länger als eine Stunde, bis die Düsseldorfer Polizei, die erst nach der Festnahme einen gewaltigen Großeinsatz gestartet hatte, erfuhr, dass der Täter bereits im Polizeigewahrsam war. So kann´s gehen.
Sicher wird der Täter psychiatrisch untersucht werden. Auf den ersten Blick spricht manches dafür, dass er unter wahnhaften Vorstellungen gelitten hat, die seine Schuldfähigkeit beeinträchtigt haben könnten. Den Opfern nützt das wenig, aber es immerhin wäre es eine Erklärung für das absurde Verhalten des Mannes.
Kategorie: Strafblog
Permalink: Doch kein Familienrechtsstreit als Hintergrund: Drei Tote und eine Fehlinformation
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