Ein Urteil ist ein Urteil ist ein Urteil



Veröffentlicht am 14. März 2014 von

 

Rainer Pohlen

Rainer Pohlen

Soviel mal vorab: 3 1/2 Jahre Freiheitsstrafe für eben noch mal auf 28,5 Millionen Euro erhöhte Steuerhinterziehung sind entgegen manchen Pressekommentaren, in denen Gründe für das harte Strafmaß gegen den armen Uli H. erörtert werden, ein außerordentlich moderater Rechtsfolgenausspruch. Das gilt erst recht in Bayern, wo die Glocken bekanntlich nicht selten höher schlagen als in nördlicheren Gefilden der Republik. Insoweit kann man also durchaus von einem Erfolg für die Verteidigung sprechen. Chapeau!?

Der Vorsitzende Richter Heindl hat dem Vernehmen nach in seiner Urteilsbegründung zunächst mal die Medien und die zahlreichen Kommentatoren kritisiert, die ohne Akten- und andere Detailkenntnisse manchen Unfug verbreitet hätten (das hat er natürlich mit anderen Worten gesagt). Einer hätte dem Gericht sogar Rechtsbeugung unterstellt. Ich räume ein, ich habe über den Casus auch einige Male berichtet, ohne die Akten zu kennen. Ich musste mich, wie so viele andere, auf (bekanntlich nicht immer zuverlässige) allgemein zugängliche Quellen beziehen und auch ein wenig spekulieren. Anders als in der konkreten Mandatsbearbeitung ist das in der journalistischen Berichterstattung kaum vermeidbar, zumal ja für Außenstehende keine Möglichkeit zur Akteneinsicht besteht.

Wenn das stimmt, was in der Online-Ausgabe der Berliner Zeitung steht, hat der Gericht gegen den Steuersünder Hoeneß sieben Einzelstrafen zwischen sechs Monaten und zweieinhalb Jahren verhängt und durch (angemessene?) Erhöhung der höchsten Einzelstrafe – der so genannten Einsatzstrafe – zu einer Gesamtstrafe von dreieinhalb Jahren zusammengeführt. Mir fehlen die genauen Zahlen für die Höhe der Steuerhinterziehungen in den einzelnen Jahren, aber da müssen, das ist reine Arithmetik, schon etliche Male viele Millionen zusammengekommen sein, um insgesamt fast 30 Millionen zu erreichen. Einzelstrafen in der genannten Höhe erscheinen da fast gnädig, es  müssen schon gewichtige Milderungsgründe zusammengekommen sein. Der Kollege Dr. Selk hat darüber in seinem „Rechthaber-Blog“ schon Einiges berichtet.

Nicht dass ich missverstanden werde: Als Strafverteidiger gönne ich dem Uli Hoeneß das maßvolle Urteil und denke, dass ich dieses demnächst argumentativ auch in anderen Steuerhinterziehungsfällen, in denen es um wesentlich geringere Beträge geht, heranziehen kann. Und anders als andere Anwaltskommentatoren bin ich auch nicht der Ansicht, dass der Uli nach dem Urteil hätte in Haft genommen werden müssen. Fluchtgefahr ist bei einem Mann von Hoeneß´ Bekanntheitsgrad und bei seinem beruflichen und sozialen Setting doch reichlich abwegig, oder? Aber ich denke, die Kollegen mokieren sich wohl auch mehr darüber, mit welch unterschiedlichen Maßstäben gemessen wird. Andere Mandanten, bei denen es im Verhältnis zu Hoeneß um Peanuts geht und die ebenfalls sozial gesettled sind, wandern ja zuhauf mit ebenso lapidaren wie oft unfassbaren Begründungen in Untersuchungshaft.

Die Strategie der Verteidigung verstehe ich ebenso wenig wie der Kollege Dr. Selk. Warum kam am ersten Verhandlungstag das überraschende Outing mit weiteren 15 Millionen? Warum wurden tags darauf die 27,2 Millionen unstreitig gestellt? Hat man damit etwas gewonnen? Welche Strafe wäre verhängt worden, wenn die Kammer „nur“ von den ursprünglich angeklagten 3,5 Millionen ausgegangen wäre? Hätte es dann nicht – gemessen an der jetzt ausgeworfenen Strafe – fast zwingend eine Bewährung geben müssen? Obwohl, eigentlich geht das ja nicht, wenn man die BGH-Rechtsprechung zu der Eine-Million-Grenze bedenkt. Aber für Leute wie Hoeneß gibt es da ja noch Hintertüren, die hat der BGH ausdrücklich offen gelassen.

Wie gesagt, ich kenne die Akten nicht und kann den Verteidigern auch nicht hinter die Stirn schauen. Die werden sich schon was dabei gedacht haben, denke ich. Wobei das ja nicht immer richtig sein muss. Ernsthaft können die doch nicht mit einer Bewährungsstrafe gerechnet haben…. Und die ohnehin mehr als unwahrscheinliche strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige war doch spätestens mit dem Outing weiterer Millionen kaputt, das wird den Kollegen klar gewesen sein. Vermutlich haben sie innerlich aufgeatmet, dass es „nur“ dreieinhalb Jahre geworden sind, es hätte ja auch deutlich schlimmer kommen können. Der Strafantrag der Staatsanwaltschaft war ja auch noch moderat und sicher kein Hardliner-Antrag.

Sollte das Urteil rechtskräftig werden, wird sich die steuerstrafrechtliche Justiz künftig daran messen lassen müssen. Gleichbehandlung ist bekanntlich auch ein wichtiger Rechtsgrundsatz. Und so besonders gravierend sind die für den Uli sprechenden Strafmilderungsgründe nach meinem Dafürhalten auch nicht, dass er damit allen normalen Maßstäben entzogen wäre.

Hoeneß´ Verteidigung hat bereits Revision angekündigt. Das war zu erwarten. Die Staatsanwaltschaft müsste, wenn sie konsequent ist, ebenfalls Revision einlegen. Das kann dann in beide Richtungen nochmal spannend werden.

Bis dahin gilt: Ein Urteil ist ein Urteil ist ein Urteil.

 


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