Eine wenig gnadenreiche Weihnachtszeit – Verstörende Stellungnahmen von Staatsanwaltschaft und Nebenklage zum Haftantrag der Verteidigung



Veröffentlicht am 27. Dezember 2013 von

Rainer Pohlen

Rainer Pohlen

Satte 7 Tage Zeit zur Stellungnahme zu dem von mir gestellten Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls in einem schon seit Monaten laufenden Berufungsverfahren wegen Stalkings, sexueller Nötigung u.a. hatte das Landgericht Mönchengladbach der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage am 20.12.2013 gewährt und damit schon einmal klar gemacht, dass es vor Weihnachten keine Haftentlassung geben würde. Reichlich dürftig und inhaltlich verstörend, wie schon so manches in diesem skurrilen Verfahren, sind die Stellungnahmen, die mir heute morgen durch das Gericht zugemailt wurden.

Über viele Seiten hatte ich in meinem Antrag akribisch dargelegt, in welche zum Teil abenteuerlichen Widersprüche sich die angeblich geschädigte Kriminalhauptkommissarin verstrickt hat und warum insbesondere der von ihrem Anwalt als Beweismittel nur in Kopie vorgelegte tagebuchartige Ablaufkalender über das angebliche Tatgeschehen offensichtlich gefaked ist. Ist hatte hierüber im strafblog schon mehrfach berichtet. Nachdem inzwischen fast 20 Verhandlungstage mit zahlreichen Zeugenaussagen im Berufungsverfahren verstrichen sind, hat die Staatsanwaltschaft sich gar nicht erst bemüßigt gefühlt, in ihrem Statement auf den bisherigen Verlauf des Berufungsverfahrens und auf die von mir aufgelisteten Punkte einzugehen. Der Anklagevorwurf habe sich – so die StA – bereits aufgrund der umfänglichen Beweisaufnahme in erster Instanz, in welcher die im Berufungsverfahren bislang aufgetretenen staatsanwaltlichen Sitzungsvertreter ebenso wie ich nie anwesend waren, als erwiesen dargestellt. Diese Beweislage habe sich im Berufungsverfahren „im Wesentlichen nicht verändert“. Punkt. Das muss man nicht näher begründen.

Die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft wurde in Vertretung des derzeit erkrankten eigentlichen Sitzungsvertreters von einer Staatsanwältin verfasst, die ein einziges Mal an der Sitzung teilgenommen hat. Das mag erklären, aber entschuldigt keineswegs, dass sämtliche Erkenntnisse aus dem Berufungsverfahren schlichtweg ausgeblendet wurden.

Ein paar Argumente gab´s dann aber doch. Soweit die Verteidigung vorgetragen hat, der als Beweismittel vorgelegte Ablaufkalender sei von der Zeugin manipuliert worden, wird dies mit der geradezu aberwitzigen Begründung dementiert, die Zeugin habe doch selbst bekundet, dass sie den Kalender zeitnah geschrieben und nicht manipuliert habe. Auch sei der Ablaufkalender mit den von der Verteidigung vorgelegten sms der Zeugin in Einklang zu bringen. Letzteres Argument ist vor allem deshalb zynisch, weil die Verteidigung wiederholt dargelegt hat, dass die Zeugin den Ablaufkalender erst ins Spiel gebracht hat, nachdem die Verteidigung ihre sms als Entlastungsbeweis in einem früheren Verfahren vorgelegt hatte. Die Zeugin habe den Kalender daraufhin – so die Verteidigung – auf die sms abgestimmt, aber nicht hinreichend mit ihrem Dienstplan abgeglichen, so dass es zu Einträgen gekommen sei, die offensichtlich nicht dem tatsächlichen Ablauf entsprächen. Vorsichtshalber hat die Staatsanwaltschaft die Diskrepanzen zum Dienstplan gar nicht erst erwähnt und ebensowenig die Tatsache, dass das Original des Ablaufkalenders nie vorgelegt wurde, sondern auf ominöse Weise in der Kanzlei des Nebenklägervertreters verschwunden ist, und dass die Zeugin den Kalender zu dem Zeitpunkt, als sie diesen erstmalig bei Gericht aus der Tasche zauberte, nach ihrem eigenen Vorbringen gar nicht mehr gehabt haben konnte, weil sie diesen – mit Anschreiben und Eingangsstempel ihres Anwalts belegt – schon 11 Tage zuvor aus den Händen gegeben und nie zurückerhalten haben will. Aber was interessieren schon zwingende Argumente, wenn diese nicht zum gewünschten Ergebnis passen? Die ignoriert man oder frau dann doch lieber und bescheidet sich mit Platitüden im Sinne einer petitio principii. Was nicht sein darf, ist auch nicht, deshalb besteht nach wie vor dringender Tatverdacht. Also hat die Staatsanwaltschaft Haftfortdauer beantragt. Ich befürchte, ohne jedes Schamgefühl.

Von der Nebenklage habe ich Anderes nicht erwartet und bin insoweit von deren Stellungnahme auch nicht enttäuscht worden. Was den Ablaufkalender anbetrifft, werden die meisten gegen dessen Authentizität vorgebrachten Argumente schlichtweg ignoriert, weil diese nun mal nicht widerlegbar sind. Den Angaben der Nebenklägerin entgegenstehende Aussagen von Polizeizeugen werden als nicht überzeugend abgetan, die Eintragungen im Dienstplan seien entgegen deren Angaben „eben nicht in jedem Fall verbindlich“ gewesen. Punkt. Da muss man der Kriminalhauptkommissarin eben einfach glauben, egal, wieviel Widersprüche sie auch immer verbreitet hat.

Soweit ein von der Zeugin und dem Angeklagten seinerzeit eingeschalteter Psychologe in der Hauptverhandlung bekundet habe, nach seinem Eindruck habe die Zeugin entgegen ihren Angaben in der Hauptverhandlung die Beziehung mit dem Angeklagten fortsetzen wollen, verwundere ihn dies „in der Tat“, schreibt der Kollege. Die in Anwesenheit des Psychologen getätigte und von diesem protokollierte Äußerung „Liebe mich so, wie ich bin!“ sei keinesfalls in diesem Sinne gemeint gewesen. Wie denn sonst (???), frage ich mich. Aber wie heißt es doch im Haftrecht? „In dubio contra reum“, auch wenn das eigentlich nicht dem geltenden Recht entspricht.

Ach ja, und dann folgt noch die haftrechtlich bedeutungsvolle Ausführung, der Nebenklägerin gehe es nicht darum, dass der Angeklagte möglichst hart bestraft werde. Sie wolle lediglich ein Leben ohne weitere Nachstellungen und Bedrohungen führen. Seitdem der Angeklagte in Haft sitze, sei ihr  das erstmalig möglich. Dass dieser Zustand andauere, sei „das einzige Ziel der Klägerin“. Klarer kann man das wohl nicht sagen, oder?

Bis Montag hat das Gericht mir Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die wird rechtzeitig vorliegen. Dann könnte mein Mandant ja noch vor dem Jahresende entlassen werden, wenn die Kammer schnell entscheidet. Aber vielleicht müssen ja alle Argumente, die seit Wochen immer wieder erörtert wurden und sattsam bekannt sind, noch einmal besonders sorgfältig abgewogen werden, so dass der verbleibende Jahresrest nicht dazu ausreicht. Es geht ja nur um den Freiheitsanspruch eines Mannes, der sich ganz privat mit einer Kriminalhauptkommissarin eingelassen und dann mit ihr angelegt hat. So etwas macht man besser nicht… könnte man aufgrund der Erfahrungen im vorliegenden Verfahren meinen.

 


Kategorie: Strafblog
Permalink: Eine wenig gnadenreiche Weihnachtszeit – Verstörende Stellungnahmen von Staatsanwaltschaft und Nebenklage zum Haftantrag der Verteidigung
Schlagworte: