Gehören Sie auch zu den Zeitgenossen, die froh sind, dass Weihnachten endlich vorbei ist und nicht die ganze Zeit im Radio oder über den CD-Player die von den Liebsten aufgelegte Weihnachtsmusik dudelt? Manche können ja vom Fest gar nicht genug kriegen, wie die inzwischen auf mehrere Monate verlängerte Vorweihnachtszeit mit dem Angebot von Printen, Lebkuchen und Spekulatius bei ALDI, LIDL & Co. oder die oft bis in neue Jahr verlängerten Weihnachtsmärkte zeigen. Antiquiert, wie ich in mancher Beziehung bin, fand ich das früher besser, als die Weihnachtszeit noch die Weihnachtszeit war. Aber die Geschmäcker und Bedürfnisse sind ja bekanntlich verschieden, und außerdem hat man ja in gewissen Umfang die Möglichkeit, sich dem Trubel zu entziehen, wenn´s einem allzu sehr auf den Keks geht und wenn man sich auf freiem Fuß befindet.
Blöd ist natürlich, wenn Letzteres nicht der Fall ist und ein durchgeknallter Gefängnisleiter meint, seine Gefangenen nach eigenem Gusto mit weihnachtlicher Musik und Gesängen wochenlang malträtieren zu müssen. Wobei der das ja möglicherweise ganz anders empfindet. spiegel-online berichtete dieser Tage über den skurrilen Fall des Joe Arpaio, der sich selbst als „härtester Sheriff Amerikas“ bezeichnet, was ja schon für sich spricht, und der das Maricopa-County-Gefängnis im US-Bundesstaat Arizona mit seinen 8.500 Insassen leitet. Der Mann hatte wohl seine weiche Phase, als er beschloss, den Häftlingen eine besondere Freude zum Fest der Nächstenliebe zu bereiten, und so ließ er über Wochen hinweg 24 Stunden täglich weihnachtliche Musik durch die Anstaltslautsprecher verbreiten, was nicht wenige Häftlinge als unerträglich empfanden. Etliche von animierten Streifenhörnchen (Alvin and the Chipmunks) mit quietschender Stimme gesungene Christmas-Songs und Weihnachtsklassiker von Elvis oder Julio Iglesias hätten die Gefangenen in Dauerschleife beschallt, heißt es in dem Beitrag, was immerhin 6 von ihnen veranlasste, dagegen vor Gericht zu klagen. Der „Weihnachtsliedermarathon“ stelle eine „grausame und unangemessene Bestrafung“ dar, argumentierten sie, und außerdem seien sie gezwungen, an fremden Religionsriten teilzunehmen. Der Vollständigkeit halber sei insoweit hinzugefügt, dass der sensible Hardcore-Sheriff mit Rücksicht auf unterschiedliche Glaubensrichtungen auch Liedgut für Mormonen, Atheisten (ich habe keine Ahnung, welche speziellen Weihnachtslieder die haben) und jüdische Häftlinge spielen ließ.
Das zuständige Gericht hat wohl eine spezielle Auffassung von den verfassungsmäßig garantierten Bürgerrechten der Häftlinge, jedenfalls wies es die Klagen ab. Aber weil der harte Joe doch ein guter Mensch ist, zeigt er ein gewisses Einsehen mit der Not seiner Schützlinge. Mit Bedauern reduzierte er die Beschallung ab sofort auf nur noch 4 Stunden täglich und twitterte hierzu, das sei eine „traurige Nachricht“.
Joe Arpaio ist für noch ganz andere Aktionen in Bezug auf seine Gefangenen bekannt. Im September 2013 ließ er Fleisch von deren Speiseplan streichen, um so jährlich 100.000 Dollar zu sparen. Die Zahl der Mahlzeiten hat er auf zweimal täglich beschränkt, weil er nicht mehr als 40 Cent pro Gefangenen und Tag hierfür ausgeben will. Seit 20 Jahren, so wird berichtet, bringe er Inhaftierte aus Kostengründen in Zeltstädten unter, wobei es im Sommer unter den Planen bis zu 50 Grad heiß werde, was von Menschenrechtsgruppen – offensichtlich bislang vergeblich – angeprangert werde. Er schikaniere die Häftlinge gezielt, indem er sie rosafarbene Unterwäsche und Sträflingskleidung in Schwarzweiß tragen lasse. Außerdem lasse er sie, ob sie wollen oder nicht, von Kameras beobachten und filmen. Die Aufnahmen würden dann mit Titeln wie „Ein Tag mit Joe“ verkauft.
So etwas wäre bei uns sicher nicht einmal denkbar. Bislang jedenfalls nicht. Aber Amerika ist ja bekanntlich das Land der unbegrenzten Möglichkeiten…
Kategorie: Strafblog
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