Da sitze ich wieder im Zug auf der Rückreise vom Augsburger Landgericht nach Düsseldorf. Besonders ergiebig war der Aufenthalt in der drittgrößten Stadt Bayerns nicht und deshalb wird es jedenfalls zu weiteren Anreisen kommen. Ab 8:30 Uhr wurde in einer Berufungsstrafsache verhandelt. 5 Zeugen waren geladen, von denen allerdings nur einer erschienen war. Dessen Aussage war nicht einmal unergiebig und bestätigte nach meiner Einschätzung die bisherige Verteidigungslinie, die auf Freispruch ausgerichtet ist. Weil das Gericht – für mich durchaus nachvollziehbar – meinte, auf die übrigen Zeugen nicht verzichten zu können, wurde nach Abwarten einer Anstandsfrist von 15 Minuten, in denen auch kein Zeuge mehr erschien, vertagt. Jetzt soll am 16.3. und am 20.3. weiterverhandelt werden.
Ab 10:30 Uhr fand dann in anderer Sache, aber mit derselben Mandantin, eine Haftprüfung vor dem Amtsgericht Augsburg statt. Dazu musste ich mich nur 2 Stockwerke abwärts begeben, der Vorführraum der Haftrichterin ist im selben Trakt des Justizgebäudes untergebracht. Ich habe im Haftprüfungstermin geltend gemacht, dass ersichtlich keine Fluchtgefahr bestehe. Die Mandantin sei in Kenntnis aller gegen sie anhängigen Verfahren von Mallorca aus am 6. Februar zur Berufungshauptverhandlung angereist. Ich hätte zuvor in Kenntnis der Tatsache, dass haftrechtliche Maßnahmen im Raum stehen könnten, ihre Anreise schriftlich angezeigt. Das spreche doch entscheidend dafür, dass die Frau sich den gegen sie anhängigen Verfahren stellen wolle. Auch gebe es keinerlei konkrete Anknüpfungstatsachen für Fluchtgefahr. Im Gegenteil: Die Familie der Frau, also der Ehemann und die Kinder, würden in der kommenden Woche von Mallorca zurück nach Deutschland kommen, um hier Wohnsitz zu nehmen. Die Kinder würden hier in der Schule angemeldet. Insoweit könne auch nicht mehr – wie im Haftbefehl ausgeführt – behauptet werden, die Fluchtgefahr ergebe sich aus fehlenden sozialen Bindungen im Inland. Die ganze Familie der Mandantin, die zwischenzeitlich bereits wieder behördlich in Deutschland gemeldet ist, wolle mit diesem Schritt dokumentieren, dass man zusammensteht und das Verfahren gemeinsam durchstehen wolle.
Den Staatsanwalt beeindruckte dies nur wenig. Er redete von einer nach wie vor erheblichen Straferwartung. Im Übrigen komme einem Inlandswohnsitz gegenüber einem Wohnsitz auf Mallorca wegen der in der EU geltenden Freizügigkeit keine besondere Bedeutung zu. Der Staatsanwalt beantragte Haftfortdauer. Der (von ihm nicht näher begründeten) Fluchtgefahr könne auch nicht durch Meldeauflagen oder durch eine Kaution begegnet werden.
Ich habe noch einmal darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung allein die Höhe der zu erwartenden Strafe, die vorliegend ohnehin völlig unbestimmt sei, nicht ausreicht, Fluchtgefahr zu begründen. Vielmehr müssten schon konkrete Anknüpfungstatsachen, die auf Fluchtmotivation hindeuten, vorliegen. Es sei schon makaber, dass der Staatsanwalt nunmehr behaupte, durch Begründung eines Familienwohnsitzes in Deutschland könne einer – aus meiner Sicht ohnehin nicht vorliegenden – Fluchtgefahr nicht entgegengewirkt werden, während im von ihm selbst beantragten Haftbefehl gerade darauf abgestellt werde, dass keine ausreichende sozialen Bindungen im Inland bestünden.
Die Haftrichterin schien ein wenig irritiert. Sie werde nicht sofort, sondern binnen Wochenfrist eine Entscheidung verkünden, meinte sie. Das war´s für heute. Die Mandantin wird erst einmal in die Haftanstalt nach Aichach zurückgebracht und ich fahre nach Norden in die Kanzlei und harre der Entscheidung. Sollte die Richterin zu einer Haftverschonung kommen, ist davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaft Beschwerde einlegt. Die hätte aufschiebende Wirkung, so dass wiederum keine Haftentlassung erfolgen würde. Vielmehr müsste dann erst noch die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts abgewartet werden.
Ich frage mich derweil erneut, warum in Deutschland so oft völlig unnötig verhaftet wird. Dass diese Mandantin mit ihren zwei schulpflichtigen Kindern gewiss nicht abhauen wird, liegt auf der Hand. Wo soll sie auch hin? Sie war auf Mallorca polizeilich gemeldet und jederzeit greifbar und wird dies auch in Deutschland sein. Die Kinder sollen weiter zur Schule gehen und eine Mutter verlässt ihre Kinder nicht so ohne weiteres, es sei denn, der Staat trennt sie ohne Not voneinander. Und ich kann mir auch nicht so richtig vorstellen, dass der Staatsanwalt tatsächlich glaubt, die Frau, die vor 2 Wochen ganz freiwillig auf eigene Kosten zur Verhandlung angereist war, werde im Falle der Haftverschonung weglaufen. Vielleicht verfolgt er ja andere Zwecke mit seiner Haltung. Wie lautet eine alte Strafverteidigerweisheit? „U-Haft schafft Rechtskraft!“ Schlimm genug, wenn man daran denkt, dass die sogenannte Unschuldsvermutung zu den wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen Gesellschaft gehört.
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