„Es gibt Tage, da stehst du morgens auf und hast schon verloren“ – Steuerstrafrecht auf unterhaltsame Art



Veröffentlicht am 14. Dezember 2013 von

SeminarDie Fachanwaltsordnung (FAO) erlegt uns in § 15 die Verpflichtung auf, jährlich mindestens 10 Stunden Fortbildung als Dozent oder Teilnehmer nachzuweisen, um den Fachanwaltstitel weiterführen zu dürfen. Früher bin ich bisweilen als Dozent aufgetreten, in den letzten Jahren habe ich das zeitlich nicht mehr hinbekommen und mich deshalb jeweils zur Teilnahme an Seminaren angemeldet, die bisweilen langweilig, manchmal aber auch durchaus unterhaltsam und lehrreich waren. Jedes Jahr nehme ich mir vor, frühzeitig die Pflichtfortbildung zu absolvieren, damit ich am Jahresende nicht in Verdrückung gerate. In diesem Jahr hat  das mal wieder nicht geklappt, zu viele Umfangsverfahren, zu viele anderweitige Termine, Verpflichtungen und Vergnügungen sowie private Belange haben mich davon abgehalten. Also habe ich mich schließlich auf den letzten Drücker für den 13. Dezember zu einem 10-stündigen Fortbildungsseminar zum Steuerstrafrecht in Hamburg angemeldet und bin gestern mit recht ambivalenten Gefühlen dorthin gefahren. 10 volle Stunden Unterricht an einem Tag, das ist eine ziemliche Tortur, sollte man meinen, aber als Strafverteidiger bringt man ja Sitzfleisch mit.

Der Kölner Fachanwalt für Steuerrecht Sebastian Korts, der auch noch die Titel „Master of Business Administration“ (MBA) und – weniger bekannt – „Master of International Taxation“ (M.I.Tax) trägt, jagte 4 Stunden lang im Schnelldurchlauf durch´s internationale Steuerstrafrecht und informierte uns über den Einfluss des EU-Rechts auf das nationale Recht, über die Unterschiede von internationaler Rechts- und Amtshilfe im Steuerrecht und – für mich besonders interessant – über den internationalen Informationsaustausch im steuerlichen Bereich sowie über aktuelle Tendenzen bei grenzüberschreitenden Umsatzsteuerstraftaten. Da gab es etliche Gedanken, die ich in dem Augsburger Steuerkarussellverfahren, das mich seit mehr als eineinhalb Jahren beschäftigt, verwerten kann.

„Warte erst mal den Nachmittag ab, wenn der Flore kommt“, hatte mich ein Kollege vorgewarnt, und in der Tat brannte der Dortmunder Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater Dr. Ingo Flore dann 6 Stunden lang ein Feuerwerk ab, das es in sich hatte und keine Minute Langeweile oder Erschöpfung aufkommen ließ. Rund 1.000 steuerstrafrechtliche Selbstanzeigen mache er pro Jahr, ließ der Kollege verlauten, und seine geballte Erfahrung schoss er stakkatoartig auf die Seminarteilnehmer ab, die von so viel Erfahrung und Kompetenz bisweilen überrollt zu werden drohten. Laut ging es bisweilen zu, wenn Flore seine Stimme erhob, manchmal schon fast sich überschlagend und reichlich despektierlich (und gerade deshalb vergnüglich) war sein Ton. Da wurde jeder Teilnehmer unabhängig von seinem Alter geduzt, Flore ging durch die Reihen, tippte dem einen oder anderen auf die Brust oder legte ihm jovial die Hand auf die Schulter, fragte für ihn Selbstverständliches ab und disqualifizierte bisweilen die Antworten als falsch, ohne dass es aber jemanden weh tat. „Mach mal Halblang“ , beschied er Zwischenfrager, um dann gleich wieder loszulegen, und bisweilen wurden im Überschwang der Gefühle Richter, Staatsanwälte, Steuerfahnder und Zollbeamte auf vergnügliche Art und Weise mit Vokabeln belegt, die sich bei kritischer Betrachtungsweise am Rande von Ehrschutzdelikten bewegten. Da bleibt man auch nach stundenlangem Zuhören einfach wach.

Flore ist ein großartiger Erzähler und dabei auch fachlich auf der Überholspur. Der Angstschweiß seiner Mandanten, die sich auf einer Steuer-CD wähnen und nach wirtschaftlich und strafrechtlich erträglichen Auswegen suchen, war fast schon zu riechen, und manchmal gibt es halt keine rosaroten Lösungen für die prospektiven Delinquenten. „Es gibt Tage, da stehst du morgens auf und hast schon verloren“, meint Flore trocken, und das muss man seinen Mandanten dann auch mal klar machen können.

Die Voraussetzungen  für eine strafbefreiende Selbstanzeige wurden en Detail durchgekaut, Stufenselbstanzeige, Konkretisierung der hinterzogenen Beträge, Einleitung eines Strafverfahrens durch die Ermittlungsbehörden aufgrund der Selbstanzeige, etc.

Verjährungsfragen, „Mattentheorie“, mögliche berufsrechtliche Konsequenzen und andere Kollateralschäden (wie z.B. Widerruf des Jagd- oder Waffenscheins oder der Pilotenlizenz) bei einer Selbstanzeige waren ebenso Thema des Vortrags wie die Zulässigkeit von Durchsuchungen beim Steuerberater oder Rechtsanwalt oder von Außenprüfungen. Ach ja, Gebührenfragen wurden auch angesprochen, für uns Anwälte ja immer ein interessantes Thema, und dann ging es zwischendurch auch einmal um den Fall „Uli H.“ und die Frage, warum der sich bei der Erstattung seiner schief gegangenen Selbstanzeige keinen anwaltlichen Highscorer aus München, sondern einen ihm privat bekannten Steuerberater aus Neukirchen-Vluyn genommen hat. Am Geld kann´s ja wohl nicht gelegen haben….

Es würde viel zu weit führen,  alle angesprochenen Themen an dieser Stelle zu streifen, aber glauben Sie mir, die Kombination Korts/Flore ist es allemal wert, eine Fortbildungsveranstaltung zu buchen. Ich jedenfalls habe es genossen….

 


Kategorie: Strafblog
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