Eine Woche lang habe ich vergeblich versucht, die zuständige Abteilung der Staatsanwaltschaft Augsburg oder den sachbearbeitenden Staatsanwalt zu erreichen. Meine wirklich sehr erfahrene Sekretärin hat x-fach versucht, eine Verbindung herzustellen und ich selbst habe auch es auch ein Dutzend mal probiert. Auch über die Zentrale ließ sich nichts erreichen. „Versuchen Sie es später noch einmal“, wurden wir beschieden. Niemand hat uns gesagt, dass der Staatsanwalt und seine Geschäftsstellenmitarbeiterin in Urlaub sind.
Ich hatte schon vor Wochen ein Akteneinsichtsgesuch gestellt und nur die lapidare Mitteilung bekommen, dass Akteneinsicht nicht gewährt wird. Vorige Woche ist mein Mandant verhaftet worden, jetzt kann ich mittels eines Haftprüfungsantrages, den ich gestellt habe, Akteneinsicht erzwingen. Oder man muss den Beschuldigten wieder auf freien Fuß setzen, weil im Haftverfahren nur die Ermittlungsergebnisse berücksichtigt werden dürfen, die der Verteidigung bekannt gemacht worden sind.
Es geht um ein europaweites Umsatzsteuerkarussell, auf 120 Millionen Euro soll sich der Steuerschaden belaufen, 30 Personen sind in Haft. Ich habe per Fax angekündigt, dass ich heute zur Staatsanwaltschaft kommen wolle, um Akteneinsicht zu nehmen und dann zu meinem Mandanten in die JVA Mühldorf am Inn zu fahren. Und siehe an, heute morgen habe ich dann tatsächlich eine Vertretung der Geschäftsstelle erreicht. Die war voll informiert und wusste auch sofort, warum ich anrufe. Sie verwies mich an den Vertreter des urlaubsabwesenden Staatsanwalts, und der ist mir aus einem anderen seit längerem bei der Augsburger Ermittlungsbehörde anhängigen Verfahren bekannt. Ja, ja 3 CDs mit Aktenkopien lägen auf seinem Schreibtisch, teilte mir der Vertreter mit, aber die könne er leider nicht herausgeben. Er selbst sei nicht Sachbearbeiter, wisse aber, dass die Verteidigung nur beschränkte Akteneinsicht bekommen solle. Was er herausgeben dürfe, wisse er leider auch nicht, auch andere Anwälte hätten schon angefragt. Da müsse ich schon bis Anfang der Woche warten, bis der Sachbearbeiter aus dem Urlaub zurück ist. Klar, die Akten seien außerordentlich umfangreich, er verstehe „im Endeffekt“ mein Problem, bis zum Haftprüfungstermin, der spätestens am kommenden Mittwoch stattfinden muss, die Akten zu sichten. Aber er bitte um Verständnis.
Ich habe kein Verständnis. Das ist eine unerträgliche Behinderung der Verteidigung. Bei 30 Haftbefehlen und laufender Haftprüfungsfrist muss sichergestellt sein, dass die Verteidigung Akteneinsicht nehmen und die Haftprüfung vorbereiten kann. Ich bin fast 600 Kilometer angereist und komme jetzt mit weitgehend leeren Händen in den Knast. Mein Mandant wird hocherfreut sein. Natürlich werde ich im Haftprüfungstermin darauf hinweisen und Haftentlassung schon deshalb beantragen. Ich kann mir aber schon vorstellen, wie die Antwort ausfallen wird. Ich kann natürlich auch eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Staatsanwalt in Betracht ziehen, mit den 3 altbekannten „f“s: formlos, fristlos, fruchtlos.
Ach ja, mit dem Stellvertreter des Staatsanwalts habe ich auch noch über die andere Angelegenheit gesprochen, in der er nicht Stellvertreter, sondern zuständiger Dezernent ist. Was mit der seit Monaten angefragten Akteneinsicht ist, wollte ich wissen. Die werde ich nicht vor November erhalten, lautete die Antwort, dann sollte der Schlussbericht vorliegen, vorher sei nichts drin. „Sie wollten doch schon bis Ostern die Anklage erhoben haben“, entgegnete ich, „aber ich muss einräumen, Sie haben nicht gesagt, welches Ostern Sie meinen“.
Über den Rest des Gesprächs schweige ich lieber. Es ist, wie es ist, und ich kann jetzt überlegen, welche weiteren Schritte angesagt sind.
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