Weitere Anekdoten von einer Verteidigerreise nach Bayern. Wollte der Verteidiger eine Gefangenenbefreiung organisieren?



Veröffentlicht am 30. August 2012 von

Gefangenentransporter, Foto: Mattes

Vorgestern hatte ich unter dem Titel „Es ist ein Kreuz mit der Staatsanwaltschaft Augsburg“ bereits über Besonderheiten aus einem dort anhängigen Strafverfahren im Zusammenhang mit einem europaweit agierenden Umsatzsteuerkarussel berichtet. Jetzt bin ich wieder zurück im Rheinland und habe die weiteren bayerischen Reiseerlebnisse ein wenig sacken lassen.

Nachdem ich bei der Staatsanwaltschaft mit meiner Bitte um Akteneinsicht auf Grund gelaufen war, bin ich ins schöne Landsberg an der Lech gefahren, um mich dort kurz mit anderen Mandanten zu treffen. Die Besprechung wurde dann doch etwas länger und erst gegen Mittag machte ich mich zur Justizvollzugsanstalt Mühldorf am Inn auf, wo mein angeblich hochkarätiger Umsatzsteuersünder einsitzen sollte. Aus einem gewissen Instinkt heraus habe ich von unterwegs aus in der JVA angerufen, um mein bevorstehendes Eintreffen noch einmal anzukündigen. Ob ich denn nicht wisse, dass der Mandant heute nach Kempten im Allgäu verlegt werde, fragte mich ein freundlicher JVA-Beamter. Nein, dass sei mir nicht bekannt, entgegnete ich, und auch anlässlich meines erst wenige Stunden alten Gesprächs mit der Staatsanwaltschaft sei mir nichts entsprechendes mitgeteilt worden. Das verwundere ihn, meinte der Beamte, es handele sich um einen richterlich angeordneten Gefangenentausch, aus Kempten werde ein Insasse nach Mühldorf verlegt und im Gegenzug komme mein Mandant nach Kempten. Der Anwalt des anderen Häftlings sei jedenfalls informiert worden. Wie schön für den anderen Häftling und seinen Anwalt. Ich habe umgehend in meinem Büro angerufen, dort lag bis dato keine Mitteilung über die beabsichtigte Verlegung vor (bis jetzt übrigens auch noch nicht).

Die Polizei werde in den nächsten Minuten eintreffen, um meinen Mandanten abzuholen und via Einzeltransport nach Kempten zu verbringen, wurde mir weiter mitgeteilt. Man könne sich nicht vorstellen, dass die Polizei bereit sein könnte, auf mich zu warten, die hätte ihre Termine und gewiss auch noch Anschlussaufträge. Na toll! Ich hatte auch Termine und war extra per Flugzeug angereist, um den Mandanten zu besuchen.

Ich bat den JVA-Beamten darum, die abholenden Polizeibeamten doch nach Möglichkeit zu veranlassen, mich anzurufen. Er wisse nicht, ob die dazu bereit seien, meinte der Mann, aber er werde mein Anliegen weitergeben.

Immerhin hatte ich dann Glück. Es gibt in Bayern viele freundliche Menschen, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, auch freundliche Polizeibeamte. Und einer davon rief mich dann tatsächlich zurück. Ich erläuterte meine Situation, bat darum, eine Möglichkeit zu finden, mit meinem Mandanten sprechen zu können, damit ich nicht umsonst nach Bayern gekommen sei. Ich schlug vor, dass wir uns vielleicht auf der Strecke treffen könnten, ich sei gerne bereit, auch im Gefangenentransporter mit meinem Mandanten zu sprechen. Das sei leider nicht möglich erhielt ich zur Antwort, aber wenn kein Gespräch in der JVA Kempten mehr möglich sein sollte, könnte man arrangieren, dass ich auf dem Polizeipräsidium in Kempten mit ihm zusammentreffe. Das wären weitere 200 Kilometer Fahrt für mich, gab ich zu bedenken, und eigentlich komme ja man auf der Fahrt nach Kempten unmittelbar an meinem jetzigen Aufenthaltsort vorbei. Bedauernd lehnte man diesen Vorschlag ab. Ich müsse schon nach Kempten kommen, anders lasse sich das nicht machen.

Also bin ich mit dem Mietwagen ins Allgäu gefahren und habe mich zum Polizeipräsidium begeben, nachdem mir die JVA erwartungsgemäß mitgeteilt hatte, dass dort ein Gespräch außerhalb der Besuchszeiten nicht möglich sei, zumal die Aufnahmeprozedur sicherlich eine ganze Stunde in Anspruch nehmen werde. Eine viertel Stunde später traf der Gefangenentransport ebenfalls ein. Der Polizeibeamte, mit dem ich zuvor telefoniert hatte, fragte mich ganz freundlich, ob ich nicht lieber im Gefangenentransporter mit meinem Mandanten sprechen wolle, dann müsse man im Präsidium nicht noch einen Raum organisieren. Ich bürstete ganz schnell den Kamm nieder, der sich von meinem Nacken an aufwärts aufzustellen begann und bedankte mich lächelnd für diese zeitsparende Möglichkeit. Vielleicht hatte ja die Sorge bestanden, dass bei einem Treffen an der Strecke eine von mir initiierte aufwendige Gefangenenbefreiungsaktion hätte stattfinden können.

Fast 20 Minuten Zeit hat man mir gegeben, mit dem Mandanten zu sprechen. Der war froh, dass er mich überhaupt noch zu Gesicht bekam, auch wenn wir in der Sache nicht viel klären konnten. Aber ich hatte ja ohnehin noch keine Akteneinsicht, so dass eine weitere Anreise nach Bayern vor dem Haftprüfungstermin erforderlich sein wird.

Nur noch am Rande:  Nachdem mir der Vertreter des Staatsanwalts am Dienstagmorgen noch mitgeteilt hatte, dass eine Akteneinsicht erst in der kommenden Woche durch den zuständigen Dezernenten gewährt werden könnte, habe ich gestern nach der Rückkehr in die Kanzlei ein Schriftstück der Staatsanwaltschaft mit einer elektronischen Aktenkopie vorgefunden. Die  muss wohl am Dienstag abgeschickt worden sein. Plötzlich ging es also doch ….  allerdings zu spät für das Verteidigergespräch.

 


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