Nach 54 Verhandlungstagen verkündete der Staatsschutzsenat des Frankfurter Oberalndesgerichts gestern das Urteil gegen die verbliebenen angeklagten Sikhs, denen die Anklage u.a. die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Verstöße gegen das Waffengesetz sowie Verabredung zum Mord vorgeworfen hat. Der Senat verhängte gegen die beiden vermeintlichen Haupttäter Freiheitsstrafen von 4 Jahren und 3 Monaten bzw. 4 Jahren, gegen meinen Mandanten eine solche von einem Jahr und 9 Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung und gegen den Vierten eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen á 80 Euro. Die Haftbefehle gegen die beiden letzgenannten Angeklagten wurden aufgehoben.
In seiner etwas mehr als zweistündigen Urteilsbegründung legte der Senatsvorsitzende Bill dar, dass die Khalistan Zindabad Force (KZF) zur Überzeugung des Senats eine terroristische Vereinigung sei, auch wenn man nur wenige Erkenntnisse zur Organisationsstruktur und zur personellen Zusammensetzung habe gewinnen können. Der Anführer der Vereinigung sei der in Pakistan aufhältige Ranjit Singh Neeta, der lange Zeit auf der sogenannten „Blacklist“ der indischen Strafverfolgungsbehörden gestanden hat. Der Senat habe keine Zweifel, dass die beiden Hauptangeklagten Mitglieder der Vereinigung seien. Das ergebe sich insbesondere aus deren engen Kontakten zu Neeta und aus zahlreichen im Laufe der Hauptverhandlung abgehörten Telefonaten, welche auch die gewaltsame Zielsetzung der Organisation belegten. Mein Mandant sei „haarscharf“ an einer Verurteilung wegen Mitgliedschaft vorbeigekommen. Er sei gut beraten gewesen, schon im Ermittlungsverfahren gegenüber dem Bundeskriminalamt Angaben gemacht zu haben, die zur Aufklärung beigetragen hätten. Allerdings habe er in vier Fällen Unterstützungshandlungen geleistet, indem er diese beispielsweise bei ihren Bemühungen, Waffen anzukaufen, beraten habe, auch wenn ein tatsächlicher Waffenerwerb nicht habe nachgewiesen werden können. Außerdem habe er Briefköpfe der KZF ausgedruckt und den Mitangeklagten zur Verfügung gestellt.
Dem vierten Angeklagten könnten letztlich nur zwei Verstöße gegen das Waffengesetz nachgewiesen werden. Das reiche aber nicht zur Annahme einer Unterstützungshandlung für die KZF aus. Deshalb werde er „nur“ zu einer Geldstrafe verurteilt, die größtenteils durch die rund fünfmonatige Untersuchungshaft abgegolten sei.
Das Verfahren hatte sich insbesondere wegen des monatelangen Anhörens von Telefonaten, die von Punjabi ins Deutsche übersetzt werden mussten, sehr zäh gestaltet. Ich bin froh, dass es nun mit einem für meinen Mandanten moderaten Ergebnis sein (zumindest vorläufiges) Ende gefunden hat.Vielleicht wird das Urteil trotz der stattgefundenen Verfahrensabsprachen im Wege der Revision zumindest teilweise angefochten werden, um durch den Bundesgerichtshof klären zu lassen, ob es sich bei der KZF tatsächlich um eine terroristische Vereinigung handelt. Zeifel kann man insbesondere deshalb haben, weil es seit 2006 keine der Organisation nachgewiesenen Anschläge mehr gegeben hat und weil es fraglich ist, ob die Vereinigung als solche überhaupt noch existiert bzw. ob sie heute noch gewaltsame Ziele verfolgt. Da ist die Beweislage sehr dünn geblieben. Die Frage nach der Qualifikation der KZF als terroristische Vereinigung ist eine Tatfrage, die sich einem „Deal“ entzieht und anhand objektiver Kriterien zu klären ist.
Kategorie: Strafblog
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