Die Abgrenzung zwischen Redensarten, bloßen Fantasien und ernsthaften Absichten kann im Einzelfall schwierig sein und fordert die Justiz bisweilen heraus. Wir wissen, dass Fantasien grenzenlos sein können wie Träume und und dass niemand dem Anderen in den Kopf schauen kann, um herauszufinden, ob das, was er da von sich gibt, auch tatsächlich ernst gemeint ist. Da bedarf es dann konkreter weiterer Anknüpfungstatsachen, um zu einer zumindest einigermaßen verlässlichen Einschätzung zu kommen. Zweifel verbleiben fast immer, es stellt sich nur die Frage, wie schwer diese wiegen und ob – wenn wir im Strafprozess sind – das Gericht meint, diese überwinden zu können.
Nehmen wir den Tatbestand der Bedrohung mit einem Verbrechen (§ 241 StGB). Ist die im Streit geäußerte Bemerkung „Ich mach´dich einen Kopf kleiner“ eine bloße Redensart oder schon eine ernsthafte Bedrohung? Tatsache ist ja, dass es sich ohne Kopf schlecht weiterlebt. Aber es ist doch eher selten, dass solchen Worten auch Taten folgen. Und das weiß das Gegenüber doch auch, oder?
Ich habe vor Jahren einen Mann verteidigt, der hatte in einem Chat mit anderen Teilnehmern überaus perverse Gedanken über Kinderschändungen ausgetauscht. Da war auch die Rede davon, dass einer der Chatpartner gemeinsam mit anderen Männern in Rumänien ein Baby auf brutale Art zu Tode geschändet haben wollte. Die Staatsanwaltschaft sah damals den Anfangsverdacht eines Mordes (in Bezug auf den Chatpartner) als gegeben an und ermittelte in diese Richtung, was für mich aufgrund der detailreichen Schilderungen durchaus nachvollziehbar war. Später stellte sich heraus, dass es sich um Fantasien handelte und die Chatteilnehmer sich gegenseitig hochgeschaukelt hatten. Mein Mandant hatte mir gesagt, er sei ganz zufällig in diesen Chat hineingeraten und über das, was er da lesen konnte, sehr schockiert gewesen. Er habe einfach wissen wollen, wie weit die Anderen gehen würden, und deshalb habe er sich in die Konversation eingeklinkt und seinerseits Fantasiegeschichten erfunden. Irgendwie sei das dann zum Selbstläufer geworden. Wer´s glaubt, wird selig, mag der Eine oder Andere von Ihnen denken. Wer gerät schon ganz zufällig in so einen Chat? So, wie der Mandant mir die Sache schilderte, klang es für mich jedenfalls nicht völlig ausgeschlossen. Und in den Kopf hineinschauen konnte ich ihm nicht.
Wie spiegel-online berichtet, hat das Landgericht im baden-württembergischen Ellwangen gestern einen 41-jährigen Heidenheimer wegen des Besitzes von Kinderpornografie und wegen Bereiterklärung zu einem Verbrechen (§ 30 Abs. 2 StGB) zu einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Zwei weitere aus München und Eitorf stammende Angeklagte wurden nur wegen Besitzes von Kinderpornografie zu Bewährungsstrafen verurteilt, vom Vorwurf der Verbrechensverabredung aber freigesprochen. Laut Anklage sollen sich die drei Männer per sms zur Entführung, Vergewaltigung und Ermordung von zwei Frauen und eines siebenjährigen Mädchens verabredet haben. Die Männer hatten geltend gemacht, nur Fantasien über Rollenspiele ohne ernsthafte Absichten ausgetauscht zu haben. Das gelte auch, soweit sie über die „Entsorgung“ der prospektiven Opfer gechattet hätten. Bei zwei Angeklagten hat die Strafkammer diese Einlassung letztlich für nicht widerlegbar gehalten. Bei dem Dritten kam sie aber zu der Überzeugung, dass dieser ernsthaft geplant hatte, seine frühere Lebensgefährtin, auf die er einen „abgrundtiefen Hass“ habe, zu vergewaltigen. Er habe ein „ganz drängendes, überaus heftig großes Motiv“ gehabt und sich an der Frau rächen wollen. Wie das Gericht es geschafft hat, einen Teil der im sms-Chat getätigten Äußerungen als Fantasie und einen anderen Teil als ernsthaftes „Sich-bereit-Erklären“ zu qualifizieren, wird nicht im Detail berichtet. Es dürfte spannend sein, insoweit die Urteilsbegründung zu lesen. Ich könnte mir vorstellen, dass sich der Bundesgerichtshof noch mit dieser Frage befassen muss.
Die Staatsanwaltschaft hatte für den Hauptangeklagten 5 Jahre und vier Monate Freiheitsstrafe und für die beiden Anderen ebenfalls hohe Freiheitsstrafen gefordert. Sie war bis zuletzt davon ausgegangen, dass eine ernsthafte Verabredung nicht nur zur Entführung und Vergewaltigung, sondern auch zum Mord an allen drei Opfern vorgelegen hat. Mag ja sein, dass auch die StA Revision einlegt.
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