Mit meinem Freund Thomas, dem Biologen und aktiven Piraten, stehe ich in einem Punkt über Kreuz. Wir leben nicht in Russland oder einem anderen mehr oder weniger totaliären Staat. Wir leben in Deutschland, dem Land der wehrhaften Demokratie, und da ist es – so argumentiere ich an unseren mittwöchlichen Männerabenden gerne – geradezu unwürdig, seine Positionen anonym mit Maske oder nicht verifizierbarem Nickname in die Welt zu posaunen. Wovor sollten die Sardinen der Schwarmintelligenz Angst haben? Vielleicht davor, dass sie im Shitstorm nicht mehr ohne das Risiko einer Beleidigungsklage öffentlich unter der Gürtellinie rumpöbeln können. Dass ihre Beiträge nicht als Teil einer größeren Intelligenz sondern als Ausgeburt eines kleinen Fischhirns enttarnt werden könnten? Ist es nicht so, dass gerade die dümmsten Beiträge im Netz anonym aus dem sicheren Schutz einer dunklen Hecke heraus verschossen werden. Ich hasse Heckenschützen. Sie haben irgendetwas vom Denunzianten nur mit umgekehrtem Vorzeichen.
Thomas versteht meinen Widerwillen, aber schon aus purer Streitlust (sonst wäre es ja auch langweilig!) legt er sich mit mir an.
„Weißt du wieviele Menschen in Betrieben oder Behörden tatsächlich Angst haben müssen, ihre kritische Meinung zu ihrem Berufsumfeld kundzutun? Es ist doch gut, dass wir so Dinge erfahen, die von den Verantwortlichen vielleicht lieber unter dem Teppich gekehrt blieben?! Und hast du mir nicht erzählt, dass wir heute alle ständig Angst haben müssen, vielleicht auch illegal abgehört zu werden. Dass Richter ohne große Prüfung jeden Überwachungsantrag geradezu blind unterschreiben?! Denk mal an Julian Assange, oder glaubst du, gegen den liefen nicht aus den USA gesteuerte miese Intrigen?“
„Ja, ja!“, räume ich ein. „Solche Fälle mag es geben. Mir geht´s aber um die anonymen Nörgler und Pöbler. Ich habe selten erlebt, dass es von denen irgendwas Konstruktives zu lesen gab. Und um irgendeinen Quatsch zu kommentieren, muss ich doch nicht incognito bleiben?!“
So oder so ähnlich laufen unsere Diskussionen zu diesem Thema und wir führen sie natürlich mit Leidenschaft. Soll ja Spaß machen!
Bei taz-online las ich allerdings in der Ausgabe vom 28.8.2012 die Überschrift –
„Dein Gesicht in meiner Datenbank
Die US-Bundespolizei entwickelt ein neues System zur Gesichtserkennung. Diese Datenbank will sie mit Millionen Bildern füttern – auch von Menschen ohne Vorstrafe.“ – die einem zu denken gibt.
In dem Artikel heißt es:
„Verbrecher verhaften, bevor sie Verbrechen begehen? Was wie eine Szene aus Science-Fiction-Filmen klingt, könnte bereits auf der To-Do-Liste des FBI stehen. Denn die US-Bundespolizei will jetzt nicht nur die Verbrechersuche mithilfe einer neuen Gesichtserkennungs-Software automatisieren, sondern diese soll auch Menschen ohne Vorstrafen berücksichtigen und auf sozialen Onlinenetzwerken herumschnüffeln dürfen.
Seit Ende 2011 testet das FBI in vier US-Staaten die „nächste Generation“ seines Gesichtserkennungsprogramms. Das Ziel: Bis zum offiziellen Einsatz des Programms soll die Gesichtserkennungs-Datenbank mit zwölf Millionen „durchsuchbaren Frontalbildern“ gefüllt sein…“
Und etwas weiter unten im Artikel:
„…dass das FBI die Verbrechersuche künftig so weit wie möglich automatisieren will: Die Datenbank-Software soll Suchergebnisse automatisch an die örtliche Polizei oder staatliche Behörden weiterleiten, ohne dass diese Ergebnisse von einem Mitarbeiter des FBI überprüft werden. Außerdem arbeitet das FBI an „universeller Gesichtserkennungssoftware“ mit der Bundesstaaten, die über keine eigenen „Gesichts/Foto-Suchmöglichkeiten“ verfügen, auf die Datenbank zurückgreifen können.
Besorgniserregend ist außerdem, dass die rechtliche Grundlage solcher Speicherungen ausgeweitet werden soll. Derzeit dürfen Behörden keine „Fotos ohne Verhaftung“ benutzen. Doch das Gesichtserkennungs-System soll eben das auch dürfen und zum Herumschnüffeln auf sozialen Netzwerken und anderen Webseiten eingesetzt werden.
Das hieße nichts anderes, als dass die US-Regierung auf ihrer Datenbank Fotos von jedermann speichern könnte – unabhängig davon, ob die Person bereits Verbrechen begangen hat oder nicht. Mithilfe der Gesichtserkennungs-Software wäre es dann möglich, Bilder „in öffentlichen Datennetzwerken zu identifizieren“ – sprich Facebook, YouTube etc. – und „automatische Überwachung“ durchzuführen. „
Aus von Wikileaks veröffentlichen heimlichen Emails ergibt sich ergänzend dazu, dass die US-Behörden mit einer neuen Software „TrapWire“ experimentieren, bei denen auch das Material ziviler Überwachungskameras ausgewertet werden soll.
Ob da wirklich was daran ist? Aber die Erfahrung zeigt ja, dass alles was machbar ist letztlich auch gemacht wird? Also doch, Big Brother is watching you!“
Ich mach ne Wette, dass Thomas mir nächsten Mittwoch genau diesen Artikel genüsslich unter die Nase reiben wird. Ich könnte dagegen einwenden, dass ja nicht alles stimmen muss, was so in den Zeitungen steht und Amerika weit weg ist. Aber dann denke ich an Baseballkappen, die blöden Hütchen, die in den USA von spießigen Farmern auf ihren Treckern beim Mähen der riesigen Weizenfelder getragen werden und die mit 40 Jahren Verzögerung dann plötzlich Europa und insbesondere Deutschland wie eine Seuche als coolen Trend für die progressive Jugend überschwemmten. … Mc Donalds, Kentucky Fried Chicken … Jede Wette, dass das BKA auf den Scheiß fliegen würde.
Also, was mache ich nächsten Mittwoch nur, damit Thomas kein Oberwasser bekommt? Ich hab´s: Ich werde einfach vom Thema ablenken, mich auf keine Diskussion einlassen und stattdessen … seine Aufmerksamkeit geschickt auf die Klimakatastrophe lenken. Das Thema hatten wir schon länger nicht mehr.
P.S an meine Söhne: Ich weiß, ihr liebt die Caps. Musste trotzdem nocheinmal gesagt werden ;-).
Kategorie: Strafblog
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