Vor 37 Jahren soll Sonja Suder an der Planung und Vorbereitung des Überfalls auf die OPEC-Konferenz in Wien teilgenommen haben, das unter dem Kommando des damaligen Weltterroristen Nr. 1, Iljich Ramirez Sanchez alias Carlos, gestanden hat. Jetzt steht die noch 79-Jährige dafür gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, dem 71-jährigen Christian Gauger, in Frankfurt vor Gericht. Letzterem wird allerdings nicht die Beteiligung an der OPEC-Aktion, sondern die Unterstützung anderer Attentate zur Last gelegt.
Bei dem Attentat von Wien waren 62 Menschen, darunter alle 11 Minister der OPEC-Staaten, als Geiseln genommen worden. Ein Polizist und ein irakischer Botschaftsangestellter sollen von der deutschen Terroristin Gabriele Kröcher-Tiedemann erschossen worden sein, Carlos selbst richtete den libyschen Delegierten Jusuf al-Azmarly hin, als dieser einem der Täter die Waffe entreißen wollte. Der deutsche Terroritst Joachim Klein wurde bei dem Überfall schwer verletzt und später unter Anwendung der Kronzeugenregelung zu 9 Jahren Haft verurteilt. Er hatte sich zur Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden entschlossen und dabei auch die jetzt angeklagte Sonja Suder belastet. Die soll ihn nämlich anlässlich eines Treffens im Frankfurter Stadtwald für die Beteiligung an dem Überfall angeworben und später auch Waffen und Sprengstoff besorgt haben.
Gauger ist inzwischen aufgrund seines Gesundheitszustandes von der Untersuchungshaft verschont, Verschonungsanträge von Suder wurden abgelehnt. Sie wird wohl ihren 80. Geburtstag im Januar 2013 im Gefängnis verbringen müssen. Die fast schon greisen Angeklagten sollen Mitglieder der linksextremistischen Revolutionären Zellen (RZ) gewesen sein, die in den 70er und 80er Jahren für zahlreiche Anschläge in der Bundesrepublik verantwortlich gemacht wurden. Nach langem jursitischen Tauziehen wurde das betagte Paar vor einem Jahr von Frankreich, wo die Beiden seit vielen Jahren gelebt haben, an die Bundesrepublik ausgeliefert.
„Schön war´s im heißen Herbst“, überschreibt die online-Ausgabe der Frankfurter Rundschau ihren Prozessbericht vom ersten Verhandlungstag, der von einer „spontanen Spaßguerilla“ im Rahmen von Solidaritätsbekundungen als „anarchistischer Zirkus“ aufgezogen worden sei. Von stehendem Applaus des überwiegend jungen Publikums für die Angeklagten, die ihre Großeltern sein könnten, ist die Rede, von Gesangseinlagen in den Pausen und glänzenden Augen wird berichtet. Und Suder und Gauger sollen im Gerichtssaal sogar aufgestanden und das den Chor mitsingend dirigkeirt haben, als sich ein anfangs müde vorgetragenes „Bella Ciao“ am Ende zu einem mitreißenden Crescendo gesteigert habe.
Ach ja, in der Sache selbst wurde noch nicht verhandelt. Die Verteidigung hat Befangenheitsanträge gegen das Gericht gestellt, über die noch nicht entschieden ist. Wegen des Gesundheitszustandes von Gauger darf täglich nur zweimal 90 Minuten verhandelt werden, mit angemessenen Pausen. Und auf deren Einhaltung achtet die Verteidigung peinlich genau, sie hat sogar den Vortrag eines Befangenheitsantrages mittendrin unterbrochen, um ihrem Mandanten die gesundheitlich erforderliche Erholung zu verschaffen. Zur Personalienfeststellung ist man noch nicht vorgedrungen, das folgt dann später.
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