Hamburger Piratenprozess neigt sich dem Ende zu – Staatsanwaltschaft beantragt überharte Strafen



Veröffentlicht am 27. Januar 2012 von

Nach rund 15monatiger Verhandlungsdauer mit inzwischen 71 Verhandlungstagen neigt sich der erste Piratenprozess seit 400 Jahren auf deutschem Boden dem Ende zu. Vor dem Hamburger Landgericht hielt die Staatsanwaltschaft in Gestalt von Oberstaatsanwältin Dr. Dopke am vergangenen Mittwoch ihren Schlussvortrag. Zwischen 7 und 11 ½ Jahren sollen die sieben erwachsenen Somalier, denen die Beteiligung am Überfall auf den in Hamburg registrierten Frachter MS Taipan im April 2010 zur Last gelegt, hinter Gittern verbringen, wenn es nach dem Willen der Strafverfolger geht. Für 3 junge Angeklagte, 2 Heranwachsende und ein Jugendlicher, wurden Strafen von 5 ½ und 4 Jahren beantragt.

Etwas mehr als 2 Stunden, in denen sie ihr Plädoyer langsam – damit die Dolmetscher übersetzen konnten – und seltsam unbetont vom Papier ablas, benötigte die Staatsanwältin, um einige tausend Seiten Akteninhalt und eine außerordentlich umfassende Beweisaufnahme mit zahlreichen Zeugenaussagen und Sachverständigengutachten abzuarbeiten und die aus ihrer Sicht wesentlichen Strafzumessungserwägungen für alle 10 Angeklagten darzulegen. Strafmildernd habe sie die „schwierigen sozioökonomischen Bedingungen“ für alle Angeklagten in Somalia berücksichtigt, meinte Dopke, weiterhin die teilweisen Geständnisse und die Tatsache, dass letztlich keine Menschen zu Schaden gekommen seien und dass keiner der Angeklagten in die Organisation der Piraterie eingebunden sei. Auch könne keinem der Angeklagten nachgewiesen werden, dass er persönlich mit Sturmgewehren oder Granatwerfern auf die Kommandobrücke der MS Taipan geschossen habe.

Straferschwerend wertete Dopke den hohen Schaden von rund 1 Million Euro, der der Reederei Komrowski entstanden sei und der von den Angeklagten nicht wieder gut gemacht werden könne, den „außerordentlich hohen Wert des Schiffes“ von rund 20 Millionen US$, die „hoch professionelle, quasimilitärische“ Vorgehensweise und bezüglich einiger Angeklagter auch deren Verteidigungsverhalten in der Hauptverhandlung. Die 3 noch eher jugendlichen Angeklagten hätten in beeindruckender Weise dargelegt, dass sie aufgrund der katastrophalen Verhältnisse in ihrem Heimatland kaum Erziehung und Ausbildung genossen hätten, deshalb müsste ein besonders hohe Jugendstrafe verhängt werden, „um diesen Defiziten entgegenzuwirken“, meinte Dopke.

Ungläubig und kopfschüttelnd nahmen die meisten Angeklagten und ein Großteil der Verteidigerinnen und Verteidiger die Strafanträge der Staatsanwaltschaft auf. Auf ihren Antrag hin wurde die Hauptverhandlung auf diese Woche Dienstag vertagt, damit die Verteidigung die Anträge der Staatsanwaltschaft mit ihren Mandanten besprechen und die eigenen Plädoyers vorbereiten kann.

Ab Dienstag dieser Woche werden die Schlussvorträge der insgesamt 20 Verteidiger erwartet.


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