Harry weiß es einfach besser als jeder Verteidiger: „Dem Richter werde ich es schon beweisen …“



Veröffentlicht am 10. Oktober 2012 von

Harry hat meine Erwartungen nicht enttäuscht und mal wieder bewiesen, dass er einfach nicht lernfähig ist. Ein durchaus honoriges Angebot des Amtsrichters, das Verfahren wegen Widerstandsleistung und Körperverletzung gegen eine Arbeitsauflage gemäß § 153a StPO einzustellen, hat er in der Hauptverhandlung abgelehnt und stattdessen weitere Beweisaufnahmen verlangt. Zuvor hatte der Richter ihn darauf hingewiesen, dass immerhin 4 Justizvollzugsbeamte als Zeugen gegen ihn aufgeboten seien, während er – abgesehen von seinem Verteidiger – ganz allein dastehe. Und nach Aktenlage sei zu vermuten, dass die Zeugen ihn nicht unbedingt entlasten würden. Da sei es doch vielleicht sinnvoll, über das Einstellungsangebot nachzudenken. Der Kollege Menke, der Harry als mein Vertreter in der Hauptverhandlung verteidigte, sah das genauso. Und ich hatte Harry schon im Vorhinein geraten, eine mögliche Verfahrenseinstellung auf jeden Fall zu akzeptieren. Aber Harry hat lieber lamentiert. Immerhin machte er es gnädig, wurde mir berichtet, nur eine knappe Viertelstunde dauerten seine Ausführungen, dann wurde die Sitzung vertagt. Der Richter will Harrys Beweisanregungen nachkommen, auch wenn man sich davon nicht allzu viel versprechen darf. Neuer Termin von Amts wegen.

Vor ein paar Jahren habe ich Harry in einem Bewährungswiderrufsverfahren vertreten. Gröblich und beharrlich sollte er damals eine Therapieauflage und Kontaktverbote zu bestimmten Personen verletzt haben. Harry bestritt das auch gar nicht. Jedenfalls nicht so richtig. Klar, an der Therapie habe er nicht aktiv teilgenommen, weil er nicht therapiebedürftig sei und mit dem Therapeuten auch nicht klargekommen sei. Der verstehe ihn ohnehin nicht und könne ihm auch nicht helfen, weil es schlichtweg nichts zu helfen gebe. Die Therapieauflage sei ein Verstoß gegen seine verfassungsmäßigen Freiheitsrechte. Aber trotzdem sei er ja zu den Therapiestunden hingegangen, die er nur inhaltlich boykottiert habe, bis er rausgeworfen worden sei. Und die Kontaktverbote, die könne er nicht akzeptieren, niemand könne ihm vorschreiben, wer seine Freunde seien. Auch nicht, wenn es sich um minderjährige junge Mädchen handele. Und wenn er denen Alkopops spendiere, dann sei das auch nicht schlimm, denn wenn sie die nicht von ihm bekämen, dann würden sie sich die schon anderweitig besorgen.  Mit Bedauern hat der Richter, der mehrfach versuchte, ihm in der Anhörung goldene Brücken zu bauen, die Bewährung schließlich widerrufen. „Sie sind unbelehrbar“, meinte er schließlich schulterzuckend, was Harry 2 Jahre Strafvollstreckung einbrachte. Auch im Beschwerdeverfahren war Harry kein bisschen klüger, er könne ja keine Positionen nach Außen vertreten, die seiner inneren Einstellung widersprechen, meinte er damals.

Die Ladung zum Strafantritt hat Harry ignoriert, deshalb wurde er schließlich von der Polizei zuhause abgeholt. Bei der Festnahme ging nicht alles friedlich zu, Harry soll später im Polizeigewahrsam auch noch einen Polizisten in den Finger gebissen haben. Der Beamte habe ihn zuvor gewürgt, meinte Harry, der Biss sei ein reiner Reflex gewesen, weil er Erstickungsnot gehabt habe. Auch damals war Harry ganz allein und eine Phalanx von Polizeibeamten hat ihn in der anschließenden Gerichtsverhandlung in die Pfanne gehauen. Ich hatte Harry geraten, sich bei den Polizisten zu entschuldigen, aber das brachte er nicht fertig. „Dann schließen sie sich wenigstens in Ihrem letzten Wort einfach meinem Plädoyer an oder sagen Sie gar nichts“, hatte ich ihm eindringlich geraten, was er mir auch zusagte. Aber dann war es einfach über ihn gekommen und er hat die ganze Verteidigung kaputt lamentiert. Er habe noch nie erlebt, dass ein Angeklagter die Ausführungen seines Verteidigers derart konterkariert habe, meinte der Richter in seiner mündlichen Urteilsbegründung, damit habe Harry sich jede Chance auf Bewährung zerstört. Und deshalb musste Harry für ein weiteres Jahr ins Gefängnis, was ihm überhaupt nicht gefiel. Und dort war es dann zu der Auseinandersetzung gekommen, die jetzt Gegenstand der Anklage ist, und Harry weiß definitiv, dass er einfach unschuldig ist. Da kennt er dann auch keinen Kompromiss. „Die müssen doch einsehen, dass ….“, meint Harry, und alle Hinweise darauf, dass er mit dieser Einstellung schon früher auf die Nase gefallen ist, schlägt er in den Wind.

Eine Arbeitsauflage komme nicht in Betracht, meint Harry. Einerseits habe er trotz seiner andauernden Arbeitslosigkeit einfach keine Zeit für soziale Arbeit und andererseits würde er damit ja zugeben, dass er schuldig sei. Da gehe es ums Prinzip für ihn, dass müsse man respektieren. „Tue ich, Harry, Sie haben meinen vollen Respekt, aber das wird sie nicht unbedingt vor dem Knast bewahren“, antworte ich ihm. Ein bisschen weniger Prinzipientreue wäre da vielleicht hilfreich, denke ich und sage das auch, aber das interessiert Harry nicht. „Die müssen doch einsehen, dass …“, wiederholt er nur und dokumentiert damit augenfällig, dass er mal wieder nicht zugehört hat oder dass er das Gehörte einfach negieren will.

Sollte es zu einer erneuten Strafverbüßung kommen, schwant mir jetzt schon Böses. Denn Ungerechtigkeit hasst Harry wie die Pest. Da wird er es denen da aber sicher mal so richtig zeigen, indem er die Nahrungsaufnahme  verweigert bzw. einfach nichts essen kann und sich jeglichen Einwirkungen auf seine Person widersetzt. Rein passiv natürlich ….

Ein richtiger Freudentanz ist so eine Verteidigung, das dürfen Sie mir glauben … Selbst dann, wenn man sich in der Sitzung terminbedingt vertreten lässt.

 


Kategorie: Strafblog
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