Ist endlich Gerechtigkeit hergestellt? Kalinkas Tod, eine Entführung und ein neues Urteil



Veröffentlicht am 21. Dezember 2012 von

Vor nunmehr 30 Jahren, nämlich im Jahr 1982, wurde die 14-jährige Kalinka von ihrer Mutter tot in ihrem Bett im Haus ihres Stiefvaters in Lindau am Bodensee gefunden.  Der Stiefvater Dieter K., damals 47, war Kardiologe und hatte dem Kind am Vorabend eine Spritze verabreicht, die mutmaßlich den Tod herbeigeführt hatte. Genau aufgeklärt werden konnte das aber nie. Die zuständige deutsche Staatsanwaltschaft hatte damals jahrelang ermittelt und das Verfahren fünf Jahre später eingestellt, ohne dass es je zu einer Anklage gekommen wäre.

Den leiblichen Vater des Mädchens,  André Bamberski, hatte das nicht ruhen lassen. Er ging davon aus, dass K. das Kind betäubt hatte, um es zu vergewaltigen.  Auf sein Betreiben hin war K. 1995 von einem französischen Gericht in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Die deutsche Justiz hatte K. aber trotz entsprechender Ersuchen nie nach Frankreich ausgeliefert. 1997 war K. vom Landgericht Kempten/Allgäu zu zwei Jahren Haft mit Bewährung verurteilt worden, weil er in seiner Praxis ein anderes Mädchen vergewaltigt hatte.

Für André Bamberski war es unerträglich zu sehen, dass der „Mörder“ seiner Tochter mehr oder weniger unbehelligt in Deutschland leben konnte. Deshalb ließ er ihn im Jahr 2009 von mehreren Männern entführen und ins elsässische Mülhausen verschleppen, wo er den Mann an die französische Justiz auslieferte. Ein Gericht in Paris verurteilte den ehemaligen Arzt im vergangenen Jahr wegen Körperverletzung mit Todesfolge erneut zu 15 Jahren Haft. Dieses Urteil hob das Kassationsgericht auf Antrag der Verteidigung jedoch auf, so dass es im November  erneut zu einem Prozess vor einem Gericht in Créteil bei Paris kam. Dieses verhängte jetzt nach längerer Beweisaufnahme wiederum 15 Jahre Haft und bestätigte den Haftbefehl. Zwar sei dem Mann, dem 1997 die Approbation entzogen worden war und der danach illegal weiter als Arzt praktiziert hatte, was ihm eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten eingebracht hatte, die Vergewaltigung des Kindes nicht nachzuweisen. Es sei aber davon auszugehen, dass er das Kind in der Absicht, dieses zu missbrauchen, betäubt habe, und dass hierdurch der Tod herbeigeführt worden sei. Eine Tötungsabsicht habe jedoch nicht vorgelegen. K. wurde weiterhin verurteilt, an die Hinterbliebenen des Mädchens 400.000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen.Die Mutter des Kindes, die damals mit dem Mediziner verheiratet war, war in dem Prozess als Nebenklägerin aufgetreten. Das bei seinem Vater in Frankreich lebende Kind hatte zur Tatzeit seinen Urlaub bei der Mutter und deren Ehemann verbracht.

Laut rp-online hatte der heute 77 Jahre alte K. bis zuletzt seine Unschuld beteuert. „Ich schwöre bei Gott: Ich habe Kalinka weder vergewaltigt noch getötet“, soll er vor Gericht gesagt haben.  Er sei „hundert Prozent unschuldig“ und wolle nicht nicht in Frankreich sterben.  Die französische Staatsanwaltschaft habe im Gegensatz zu diesen Unschuldsbeteuerungen  schwere Vorwürfe gegen die deutsche Justiz erhoben, die die Akten „auf Grundlage einer verpfuschten Autopsie und verpfuschter Ermittlungen“ geschlossen habe, heißt es in dem Beitrag. Die Verteidigung wiederum sprach von einem Fehlurteil und kündigte Rechtsmittel an.

Der Vater des Tatopfers nahm das Urteil mit Genugtuung zur Kenntnis. Er muss sich demnächst wegen der Entführung K.´s vor Gericht verantworten.

spiegel-online wirft derweil die Frage auf, ob die französische Justiz den Prozess überhaupt hätte führen dürfen, obwohl K. nur mittels einer schweren Straftat in deren Geltungsbereich verbracht wurde. Außerdem verstoße das Verfahren möglicherweise gegen den „ne bis in idem“-Grundatz, wonach niemand wegen derselben Straftat zweimal verfolgt werden dürfe, wenn keine neuen Tatsachen vorlägen und das Verfahren bereits einmal eingestellt worden sei.

 


Kategorie: Strafblog
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