Kein lustiges Piratenleben – Erneuter Ausfall eines Verhandlungstages



Veröffentlicht am 26. März 2012 von

 

Besuchereingang zum Gelände der JVA Hahnöfersand

Fast schon erwartungsgemäß ist auch der für heute vorgesehene Verhandlungstag im Hamburger Piratenprozess ausgefallen, nachdem schon die Sitzung vom vergangenen Freitag wegen der Erkrankung eines Angeklagten nicht stattfinden konnte. Jetzt  geht´s erst am 5. April weiter und ein Ende des immer grotesker verlaufenden Verfahrens ist nicht in Sicht. Ein Tag später, nämlich am 6. April, jährt sich der Überfall auf die  damals für die Hamburger Reederei Komrowski registrierte MS Taipan zum 2. Mal, und genauso lange befinden sich die 10 somalischen Piraten bereits in Haft. Rechtlich problematisch ist die lange Haft insbesondere für die 3 jugendlichen bzw. heranwachsenden Angeklagten, ich habe hierüber im strafblog bereits wiederholt berichtet.

Heute nachmittag werde ich Abdiwali, „meinen Piraten“, erneut in der JVA Hahnöfersand aufsuchen, um die neue Situation mit ihm zu besprechen. Abdiwali ist zuletzt sehr angespannt gewesen, weil das Hanseatische Oberlandesgericht Ende Dezember eine Abtrennung des Verfahrens oder eine Haftentlassung bis Ende März angemahnt hatte, ohne dass die zuständige Jugendstrafkammer bislang eine Entscheidung getroffen hätte. Das heißt, die vor ein paar Wochen erfolgte Abtrennung wurde wenige Tage später wieder rückgängig gemacht, nachdem einer der erwachsenen Angeklagten eine umfangreiche Einlassung angekündigt hatte, in der er sich – was dann tatsächlich eingetroffen ist – auch zu den Tatbeiträgen der übrigen Angeklagten äußern wollte. Nachdem der Mann drei Verhandlungstage lang

vernommen worden war, ist es jetzt zu der krankheitsbedingten Unterbrechung gekommen.

Natürlich steht die Kammer unter Zugzwang. Sie muss ganz kurzfristig zu einer Entscheidung gelangen, was mit den jungen Angeklagten geschehen soll. Als Verteidiger habe ich das Mittel einer erneuten Haftbeschwerde und – falls diese wider Erwarten erfolglos bliebe – einer Verfassungsbeschwerde, die mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gekoppelt werden kann. Das ist dem Gericht natürlich bekannt. Ich denke, dass nur eine Aufhebung des längst unverhältnismäßig gewordenen Haftbefehls gegen meinen Mandanten in Betracht kommt. Ohnehin weiß ich nicht, wie die Kammer in seinem Fall überhaupt noch eine Jugendstrafe begründen will, da bei Abdiwali nach  deren eigener Beschlusslage überhaupt kein Erziehungsbedarf mehr besteht. Da hilft nach meinem Rechtsverständnis auch der Gesichtspunkt der Schwere der Schuld nicht weiter, der – wenn man bei Abdiwali in Anbetracht der Gesamtumstände überhaupt  von der Schuldschwere ausgehen will – auch dann noch die Verhängung von Jugendstrafe erzieherisch veranlasst sein muss. Das hat der Bundesgerichtshof erst zuletzt in einem Beschluss vom 25.10.2011 – 3 StR 353/11 – noch einmal klargestellt. Die Kammer wird ihre Entscheidungen hieran zu messen haben. Mag ja sein, dass der BGH sich mit der Fragestellung demnächst erneut befassen muss.


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