Na klar, die Staatsanwaltschaft hat als Strafverfolgungsbehörde die Aufgabe und auch die Pflicht, von Amts wegen Straftaten zu verfolgen und jeden ernstzunehmenden Anfangsverdacht in ein Ermittlungsverfahren umzusetzen, wenn nicht gerade ein Antragsdelikt (aber kein Strafantrag des Verletzten) vorliegt oder die Sache offensichtlich völlig bagatellhaft ist. Natürlich kann man bisweilen bezweifeln, ob die ach so objektive Strafverfolgungsbehörde diesem Auftrag immer gerecht wird, wenn zum Beispiel Verdachtslagen gegen hochrangige Politiker oder gar gegen Richter und Staatsanwälte oder auch gegen Polizeibeamte gegeben sind. Bisweilen wird dann gar nicht ermittelt oder es finden aufwendige, dem Normalbürger in aller Regel nicht gewährte „Vorermittlungen“ statt, um erst einmal herauszufinden, ob denn überhaupt ein echter Anfangsverdacht gegeben ist. Da kann es dann zum Beispiel vorkommen, dass ein Bundeskanzler vor einem Untersuchungsausschuss die Unwahrheit sagt und dann zur Vermeidung eines Strafverfahrens in vorauseilendem Gehorsam von der StA einen „blackout“ bescheinigt bekommt, oder dass – wie aktuell im Fall Mollath – Ermittlungen gegen Richter und Sachverständige wegen Verdachts der Rechtsbeugung unter Bezugnahme auf § 152 Abs. 2 StPO gar nicht erst richtig aufgenommen werden, während im selben Zusammenhang umso vergnüglicher die Verteidiger ins Visier genommen werden.
Wenn es gegen Anwälte, insbesondere gegen Strafverteidiger, geht, tut sich insbesondere die Staatsanwaltschaft Augsburg gerne hervor. Gegen mich hat sie innerhalb des letzten Jahres 2 Ermittlungsverfahren eingeleitet, von denen eines – es ging um „unerlaubten Verkehr mit einer Gefangenen“ (nein, nicht was Sie denken!) – inzwischen eingestellt wurde und das andere noch bei der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach anhängig ist. Ich komme weiter unten darauf zurück.
Noch relativ frisch und nicht nur deshalb unvergessen ist das ebenfalls in Augsburg zelebrierte Verfahren gegen den Kollegen Lucas, das letztlich – man hat den Eindruck, durchaus nicht zur Freude der Augsburger Justiz – mit einem Freispruch endete, weil im Verfahren herauskam, dass sich Richter und Staatsanwälte zum Nachteil des Kollegen zumindest nicht ganz richtig erinnert hatten, als das Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde.
Jetzt hat es, wie der Kollege Hoenig in seinem Blog berichtet, den renommierten Hamburger Revisions- und Wiederaufnahmespezialisten Gerhard Strate erwischt. Der hat nämlich im Zusammenhang mit seiner Verteidigertätigkeit in dem sattsam bekannten Fall Mollath eine Dokumentation des Verfahrens und der diversen Unsäglichkeiten ins Netz gestellt, die er auch noch laufend fortschreibt. Der Augsburger Staatsanwaltschaft gefällt das überhaupt nicht, und deshalb hat sie gegen Strate ein Ermittlungsverfahren wegen Verdacht des Verstoßes gegen § 353d Abs. 3 StGB (Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen) veranlasst, das von der Hamburger Staatsanwaltschaft geführt wird. Mir kommt das irgendwie bekannt vor, denn das oben erwähnte zweite Ermittlungsverfahren gegen mich hat genau diesen Vorwurf zum Gegenstand. Auch ich soll im strafblog verbotener Weise über ein in Augsburg anhängiges Verfahren berichtet haben, indem ich einen (ziemlich kärglichen) Beschluss des Landgerichts Augsburg in einer Haftsache in weiten Passagen wörtlich zitiert habe.
Gerhard Strate hat inzwischen auf die Strafanzeige erwidert und diese Erwiderung ebenfalls ins Netz gestellt. Dabei vertritt er unter anderem die Auffassung, dass vor Eröffnung des Hauptverfahrens noch gar keine tatbestandmäßige Handlung möglich sei, weil das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes verlange, dass jedenfalls konkret mit einer Gerichtsverhandlung zu rechnen sein muss, weil ansonsten noch gar kein Strafverfahren, sondern nur ein Ermittlungsverfahren vorliege. Auch die anderen von Strate vorgetragenen Gründe sind beachtlich.
Geht man von der Rechtsauffassung ( ist das noch Recht?) der Augsburger Staatsanwaltschaft aus, dann stellt die Veröffentlichung der Erwiderungsschrift wohl ebenfalls eine verbotene Mitteilung im Sinne des § 353d Abs. 3 StGB dar, da sie ja mit Einreichung Aktenbestandteil geworden ist und dann jedenfalls vor Beendigung des Verfahrens oder öffentlicher Erörterung in der Hauptverhandlung im Wortlaut öffentlich mitgeteilt worden ist. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings schon einmal einschränkend angedeutet, dass eine Strafbarkeit entfallen kann, wenn der derjenige, der in dem Verfahren beschuldigt wird, mit der Veröffentlichung einverstanden ist. Da ist jedoch hoch streitig und derzeit Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde, über die noch nicht entschieden ist.
Die Stellungnahme des Kollegen Strate enthält einige Aspekte, die ich in meinem Verfahren noch nicht beleuchtet habe und gerne „nachschieben“ werde. Ich bin da ganz optimistisch, dass die für mich zuständige Mönchengladbacher Staatsanwaltschaft die Sache etwas objektiver angehen wird als die bayerischen Kollegen. Warten wir´s ab. Ich werde berichten.
Kategorie: Strafblog
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