Mit Glück und Spucke zur Bewährung



Veröffentlicht am 1. April 2014 von

Rainer Pohlen, Foto: Stefan Völker

Rainer Pohlen, Foto: Stefan Völker

Eigentlich gibt es jede Menge wichtigerer Themen, über die ich zu berichten hätte, aber dafür brauche ich einfach etwas mehr Zeit, als mir derzeit zum Bloggen zur Verfügung steht. Zum Beispiel muss ich unbedingt noch über das Mönchengladbacher Satudarah-Verfahren berichten, das am vergangenen Donnerstag mit einem aus meiner Sicht reichlich unverständlichen und ziemlich vernichtenden Urteil zu Ende gegangen ist. Da kann ich nur hoffen, dass die Revision – bekanntlich ein dünnes Eis – es dennoch richten wird.

Heute jedenfalls habe ich auch wieder vor dem Mönchengladbacher Landgericht in einer eigentlich recht einfach gelagerten Berufungssache verteidigt, die es für den Mandanten dennoch in sich hatte. Der war nämlich erstinstanzlich bei einer ganzen Latte einschlägiger Vorstrafen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 4 Fällen, einmal davon in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und „Unfallflucht“,  und wegen Betruges zu einer 10-monatigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden, wobei auch noch ein Bewährungswiderruf wegen einer früheren Bestrafung im Raume stand. Nicht nur der Angeklagte, sondern auch die Staatsanwaltschaft hatte Berufung gegen das Urteil eingelegt. Letztere mit dem Ziel, eine deutlich über ein Jahr liegende Verurteilung zu erreichen. Einschließlich des möglichen Bewährungswiderrufs ging es damit um runde 2 Jahre Gefängnis.

Wir haben die Berufung auf die Verurteilung wegen der fahrlässigen Körperverletzung und der Unfallflucht und im Übrigen auf das Strafmaß beschränkt. Die Staatsanwaltschaft hat sich insoweit angeschlossen. Am Fahren ohne Fahrerlaubnis war nicht zu rütteln. Der Mann hat nun mal keine Fahrerlaubnis und war entsprechend oft am Steuer erwischt worden.

Die Zeugin, die den Angeklagten seinerzeit angezeigt hatte, hat ihn heute ziemlich entlastet. Das war sein Glück. Sie habe ihn mit seinem Auto an einem Zebrastreifen, den sie mit ihrem Fahrrad überqueren wollte, von links kommen sehen. Er sei relativ zügig gefahren. Sie sei unsicher gewesen, ob sie den Zebrastreifen überqueren oder vorher anhalten sollte. Schließlich habe sie gebremst. Dabei sei das Hinterrad weggerutscht. Sie habe das Übergewicht verloren und sei gegen ein Verkehrsschild gefallen. Der junge Mann habe vor dem Zebrastreifen angehalten und sich um sie gekümmert. Er habe sie mit ihrem Fahrrad über die Straße geleitet und gefragt, ob sie Hilfe brauche. Das habe sie verneint. Es sei ja bis auf eine kleine Schramme an der Hand nicht viel passiert. Der junge Mann habe gesagt, er müsse sein Fahrzeug wegsetzen und sei davongefahren. Zuhause habe sie das ihrem Mann erzählt. Da hätte sie auch Kopfschmerzen gehabt. Ihr Mann habe gesagt, sie solle sich besser an die Polizei wenden. Man wisse ja nie, ob noch Spätschäden entstehen. Deshalb habe sie auf Raten des Polizisten, den sie kontaktiert habe, Strafanzeige erstattet. Auch wegen „Fahrerflucht“, weil sie geglaubt hätte, dass er nach dem Wegsetzen des Fahrzeuges noch einmal zurückkommen würde. Gesagt hätte er das allerdings nicht und sie hätte ihn auch nicht dazu aufgefordert.

Die Frage des Richters, ob sie das Verschulden für den Sturz beim Angeklagten sehe, verneinte die Frau. Sie habe wohl nicht aufgepasst. In der Strafanzeige hatte sich das noch ganz anders gelesen. Da hatte sie auch bekundet, der Pkw sei erst auf dem Zebrastreifen zum Stehen gekommen.

Der Staatsanwaltschaft hat den Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung und der Unfallflucht fallen gelassen. Einen Freispruch konnte es insoweit nicht geben, weil das Ganze ja tateinheitlich mit Fahren ohne Fahrerlaubnis angeklagt war, und das blieb ja in diesem und den weiteren angeklagten Fällen übrig.

Die Staatsanwaltschaft hat eine Gesamtstrafe von einem Jahr ohne Bewährung beantragt. Eine günstige Sozialprognose könne dem Mann wegen der vielen einschlägigen Vorbelastungen nicht gestellt werden. Außerdem sei er Bewährungsversager.

Ich habe gedanklich in die Hände gespuckt und eine unter 10 Monaten liegende Bewährungsstrafe beantragt. Für die Sozialprognose komme es auf den heutigen Zeitpunkt an. Die angeklagten Taten lägen zwischen gut drei Jahren und knapp zwei Jahren zurück. Seitdem sei der Mann nicht mehr mit irgendwelchen Straftaten aufgefallen. Er sei zwischenzeitlich Vater geworden und habe seit einigen Monaten Arbeit. Sein Arbeitgeber sei mit ihm zufrieden. Er habe eine Monatskarte der Bahn und fahre mit dem Zug zur Arbeit. Die Zeit spiele nun mal für den Angeklagten, habe ich gesagt, und er habe die Zeit gut genutzt. Außerdem habe er mit dem Geschädigten der Betrugsstraftat inzwischen eine Zahlungsvereinbarung getroffen und auch einen Dauerauftrag eingerichtet. Den habe ich auch mit Bankstempel vorgelegt.

Das Gericht hat beraten und schließlich eine neunmonatige Bewährungsstrafe verkündet. Außerdem wurde eine isolierte Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von einem Jahr ausgesprochen.

Mein Mandant war´s zufrieden. Kann er auch sein, denke ich. Ich glaube kaum, dass die Staatsanwaltschaft Revision einlegt. Und die inzwischen abgelaufene, aber noch nicht erlassene frühere Bewährungsstrafe  wird – obwohl dies rechtlich noch möglich wäre – wohl nicht widerrufen werden.

Bleibt zu hoffen, dass der junge Mann die Bewährungschance nutzt. Es liegt jetzt an ihm!

 

 

 

 

 

 


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