Na also, es geht doch! Freispruch nach Beiordnung eines Zeugenbeistands und Disput zum Umfang des Notwehrrechts



Veröffentlicht am 8. November 2012 von

Windlichtlampe

Einen Freispruch mit Verzögerung gab´s gestern für ein Ehepaar, das wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil eines Untermieters angeklagt war. Eigentlich sollte die Sache schon in der vergangenen Woche entschieden werden, aber da waren Meinungsverschiedenheiten zwischen Gericht und Verteidigung über den Umfang eines Auskunftsverweigerungsrechts entstanden, auf welches sich der Verletzte und einzige Tatzeuge berufen wollte. Ich hatte angeregt, dem Zeugen einen Beistand beizuordnen, was die Amtsrichterin zunächst ablehnte, bevor sie es sich dann nach anders überlegte, nachdem ich im Hinblick auf § 68b  und auf § 406g StPO einen förmlichen Gerichtsbeschluss beantragt hatte. Ich habe  darüber im strafblog berichtet.

Gestern erschien der Zeuge dann im Beistand eines Rechtsanwalts, der ihm dann auch beigeordnet wurde,  und der machte glaubhaft, dass sein Mandant sich im Falle einer Aussage der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzen könnte, weil er seinerzeit bei der Polizei möglicherweise nicht die ganze Wahrheit erzählt hatte. Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft wurde der Zeuge daraufhin entlassen.

Für den Ehemann beantragte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft dann auch Freispruch, weil ein Tatnachweis nicht zu führen sei. Meine Mandantin sei allerdings – so meinte der Amtsanwalt – aufgrund ihrer eigenen Einlassung wegen gefährlicher Körperverletzung zu verurteilen, weil sie ja eingeräumt habe, dem Untermieter mit einer Lampe auf den Kopf geschlagen zu haben. Zwar habe dieser sie in seiner Wohnung gegen eine Schuhkommode gedrückt und nicht losgelassen, aber das habe sie nicht berechtigt, mit der Lampe zuzuschlagen. Das sei eine lebensgefährliche Aktion gewesen, da der Glaszylinder zerbrochen sei und stark blutende Wunden am Kopf des Opfers hinterlassen habe. Immerhin seien die Streithähne ja befreundet gewesen, und da hätte es schon andere Möglichkeiten geben müssen, die Situation aufzulösen.

Ich habe auf Notwehr plädiert und Freispruch beantragt. Der Untermieter hätte kein Recht gehabt, die Frau einfach festzuhalten. Die hätte Angst gehabt, zumal der Mann ein paar Tage zuvor die Reifen ihres Autos zerstochen und Bauschaum in den Auspuff gespritzt habe. Das sei nicht gerade eine freundschaftliche Aktion gewesen. Außerdem sei der Mann sehr aggressiv gewesen und hätte einen wutverzerrten Gesichtsausdruck gehabt. In Reichweite des Mannes hätten ein paar Schlachtermesser gelegen. Da hätte sie nicht abwarten müssen, bis die Situation noch weiter eskaliert. Der Schlag mit der Lampe – eine kleines Windlicht mit Glaszylinder – sei das angemessene und erforderliche Mittel gewesen, sich aus der Umklammerung zu befreien, da der Mann ihr körperlich überlegen war und ihr kein milderes Mittel zur Verfügung gestanden hätte. Außerdem sei es eher abwegig, von einer lebensgefährlichen Vorgehensweise zu sprechen.

Dem hat sich die Richterin angeschlossen und beide Eheleute auf Kosten der Staatskasse freigesprochen. Ich denke, dass das Urteil Bestand haben wird.

 


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