Olaf Tank: Vorwärtsverteidigung auf Berliner Art für „Das Arschloch der Nation“



Veröffentlicht am 11. April 2012 von

Foto: Apnoist wolfram neugebauer

Die Berliner Anwaltskanzlei Dr. Schmitz& Partner geht bei der Verteidigung des Abofallen-Anwalts Olaf Tank weiter in die Offensive. Hatte sie durch den dortigen Sachbearbeiter Rechtsanwalt Andreas Jede zuletzt noch in 2 Blogbeiträgen die Anklageerhebung bzw. die Zulassung der Anklage gegen ihren Mandanten ausdrücklich begrüsst, um in vollem Vertrauen auf die Strafjustiz (wo immer dieses Vertrauen herkommen mag) endlich eine Klärung der ungerechtfertigten Vorwürfe herbeizuführen zu können, so wird nun in einem neuen Beitrag unter der illustren Überschrift „Olaf Tank – Das Arschloch der Nation*“ nachgelegt. Kollege Jede versucht argumentativ nachzuweisen, dass das Verhalten seines Mandanten, der durch „Dummheit/Unaufmerksamkeit/Blindheit der Masse“ Geld verdient habe, zwar vielleicht nicht integer, aber jedenfalls nicht rechtswidrig gewesen sei. Dies sei durch zahlreiche zivilrechtliche Urteile und Einstellungsverfügungen von Staatsanwaltschaften bestätigt worden.  In die Staatsanwaltschaften Darmstadt und Landshut, die Anklage gegen seinen Mandanten erhoben haben, sei „der Teufel gefahren. Sie handeln übermäßig hart, redundant, behindern die Verteidigung, mobilisieren das Volk.“

Ich will nicht verhehlen, dass ich bisweilen schon ähnliche Gedanken hatte, wenn ich Anklagen gelesen oder staatsanwaltliches Handeln beurteilt habe. Da mir die Anklagen gegen Tank nicht im Wortlaut vorliegen und ich weder Aktenkenntnis noch detaillierte Kenntnis über die Konflikte zwischen StA und Verteidigung habe,  will ich zu dieser Einschätzung gar nicht Stellung nehmen. Dafür lohnt es aber, einen näheren Blick auf die übrige Argumentation des Kollegen Jede zu richten.

Beim Thema Abo-Fallen, meint Jede, überkomme die meisten Menschen ein Ungerechtigkeitsgefühl. Das sei soweit nachvollziehbar, aber „nur bei jenem, der aus einem einseitigen und inkonsequenten Blickwinkel betrachtet.“  Weiter führt er aus: “ Was ist daran so schlimm, etwas zu verkaufen, das man auch kostenlos erhalten kann? Wenn ich mir eine neue Handy-App herunterlade, gibt es häufig eine kostenlose Original-App, aber ebenso kostenpflichtige Nachahmer-Apps, die nicht unbedingt besser oder schlechter oder anders sind. Ähnlich verhält es sich im Internet: Ein Klick weiter wird das Produkt auf anderen Websites kostenlos angeboten. Hier finanziert durch Werbeeinnahmen bzw. nervende Popups. Wenn ich ein Elektrogerät kaufe oder ein Hotelzimmer miete, muss ich teilweise bei unterschiedlichen Anbietern unglaublich unterschiedliche Preise zahlen ohne dafür erkennbaren (Mehr-) Wertunterschied feststellen zu können. Hier wird der arme Normalbürger doch dann ebenso „hinters Licht“ geführt. Hierbei (ich habe einen großen Elektronikmarkt im Sinn) wird teilweise deutlich subtiler „betrogen“, indem medial geschickt suggeriert wird, dass die Produkte sämtlich sehr preiswert wären.“

Ich räume ein, Werbung ist im Geschäftsleben häufig darauf ausgerichtet, Vorstellungen über die Qualität eines Produktes oder über die Angemessenheit des Preis-/Leistungsverhältnisses hervorzurufen, die einer objektiven Überprüfung nicht standhalten können. Würde man das durchgehend als (versuchten) Betrug qualifizieren, würden der Warenhandel und der Dienstleistungsmarkt vielleicht weitgehend zum Erliegen kommen. Aber hier geht es doch um etwas anderes: Die Abofallen-Betreiber haben es – so jedenfalls meine Wahrnehmung – ersichtlich darauf abgesehen, arglose Internetuser zu einem unbedachten Klick zu verleiten, ohne dass diese überhaupt das Bewusstsein haben, ein kostenpflichtiges Rechtsgeschäft abzuschließen. Das ist so ähnlich, als würde man einen Schauspieler um ein Autogramm bitten und ihm ein Blatt Papier zur Unterschrift hinhalten, auf dem sich ein verdeckter Vertragstext befindet, mit der er eine wirtschaftliche Verpflichtung eingeht. Und dann wirft man ihm später vor, er hätte halt genauer hinschauen sollen, was er da unterschreibt. Ich gebe zu, der Vergleich hinkt (wie die meisten Vergleiche), aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass viele Menschen, die auf Abo-Fallen heriengefallen sind, nicht das geringste Bewusstsein hatten, ein kostenpflichtiges Abonnement abzuschließen. Und natürlich waren die Internetangebote so aufgebaut, dass möglichst viele Menschen das nicht erkennen sollten. Daran ändert auch der wiederholte Hinweis des Kollegen Jede auf die deutliche Sichtbarkeit des Kostenhinweises nichts. Es hat schon seine Berechtigung, wenn der Gesetzgeber jetzt deutliche, nicht mehr übersehbare Hinweise auf die Kostenpflichtigkeit eines Klicks fordert und hiervon die Wirksamkeit eines Vertragsschlusses abhängig macht.

Ich denke, es kann allein schon wegen der großen Vielzahl der sich getäuscht fühlenden Internetuser, die sich gegen die vermeintlichen Ansprüche der Abo-Fallensteller mit mehr oder weniger immer denselben Argumenten gewehrt haben, ausgeschlossen werden, dass Olaf Tank sich nicht vollends der Tatsache bewusst gewesen ist, dass er durch Täuschung erschlichene angebliche Ansprüche seiner Mandantschaft anwaltlich durchzusetzen versuchte. Das fehlt nicht nur die moralische Integrität, das ist aus meiner Sicht auch rechts- und standeswidrig gewesen.

Wenn der Kollege Jede in diesem Zusammenhang von einer „widerlichen“ „Alles-Ist-Kostenlos-Und-Wenn-Nicht:-Mir-Kann-Nichts-Passieren“-Mentalität der getäuschten Konsumenten spricht, so  dreht er den Spieß in die falsche Richtung. Klingt fast wie „Ihr wollt doch alle betrogen werden, stellt euch mal nicht so an“. Und apropos Kaffeefahrten: Natürlich werden hier häufig alte Menschen nach allen Regeln der Kunst und auch in strafrechtlich relevanter Weise betrogen. Nur gilt auch hier: Wo kein Kläger, da kein Richter.

Die von Jede beklagte „Hetzjagd“ gegen „das Arschloch der Nation“ hat Olaf Tank lange – vielleicht nicht billigend, aber um des eigenen finanziellen Vorteils willen –  in Kauf genommen. Seine Kritiker jetzt als „(Internet-)Mob“ oder „Monotonopresse“ zu bezeichnen, ist für mich kein Beleg für Sachlichkeit.

Bin ich froh, in diesem Fall nicht verteidigen zu müssen … (aber „müssen“ tut man ja ohnehin nicht müssen …)

Und vielleicht gibt´s ja letztlich doch einen Freispruch aus Rechtsgründen und in dubio, wer weiß das schon? Der Justiz ist ja vieles zuzutrauen …

 

 


Kategorie: Strafblog
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