Piratenprozess: „Geplatzte Bombe“ hat nur wenig Sprengkraft



Veröffentlicht am 1. März 2012 von

Eingangstüren zum Sitzungssaal 337 im Hamburger Landgericht

 

79. Verhandlungstag im Piratenprozess. Immerhin konnte weiterverhandelt werden, da sich der gestern erkrankte Angeklagte gesundheitlich erholt hatte. Mit Spannung wurde von allen Prozessbeteiligten und der anwesenden Presse die weitere Befragung des Angeklagten Khalief D. erwartet, der gestern begonnen hatte, eine umfassende Einlassung abzugeben und auch Mitangeklagte zu belasten. Heute teilte der geständnisfreudige Mann – zum Teil auch durch Erklärung seines Verteidigers – mit, dass er zu den Umständen der Kaperung der Dhau keine Angaben machen wolle. Aus seiner heutigen Sicht schilderte er aber die Vorfälle auf der Dhau und wich dabei in etlichen Punkten von seiner früheren Einlassung ab. Damals habe er halt gelogen, aber heute – Hand auf´s Herz – berichte er, wie´s tatsächlich gewesen ist. Er hat das natürlich anders ausgedrückt, aber sinngemäß ist es so rübergekommen.

Vertraglich sei geregelt worden, wie die zu erwartende Beute verteilt werden solle. Da hätten allerdings keine konkreten Geldbeträge dringestanden, sondern nur Prozentangaben, die er gar nicht richtig verstanden hätte. Für sich selbst hätte er jedenfalls nach Verrechnung von Schulden in Höhe von ca. 200 US-Dollar noch etwa 1.500 Dollar erwartet. Was die anderen Piraten bekommen sollten, könne er nicht sagen, da müsse man diese schon selbst fragen. Jedenfalls sei der Beuteanteil nach der Aufgabenverteilung gestaffelt gewesen. Wer zum Beispiel bei dem Einsatz schwerere Waffen bedient hätte, der hätte auch eine höheren Beuteanteil bekommen sollen. Wie sich die relativ geringe Belohnung, die er erwartet hätte, zu den Millionenlösegeldforderungen verhält, die bei Schiffsentführungen regelmäßig gefordert werden, konnte er nicht sagen.

Man mag mir verzeihen, wenn es mir nicht ganz leicht fällt zu glauben, dass somalische Piraten, von denen etliche nicht einmal richtig lesen und schreiben können, komplizierte schriftliche Vertragswerke über ihren Einsatz und über die Beuteverteilung aufsetzen oder unterschreiben. So, wie es mir am letzten Verhandlungstag auch nicht leicht fiel zu glauben, dass ein unbewaffneter Dolmetscher bei der Kaperung als Erster an Bord geht, um schon mal eine Konversation mit der Mannschaft zu beginnen oder diese zu überreden, sich zu ergeben. Kann natürlich trotzdem so gewesen sein, aber Zweifel wird man ja noch haben dürfen. Immerhin hat der Mann heute eingeräumt, beim Betreten des Schiffs doch eine Pistole mit sich getragen zu haben, die allerdings nicht geladen gewesen sei. Das mag man gerne zu seinen Gunsten annehmen; soweit er allerdings Mitangeklagte belastet hat, ist Vorsicht geboten. Für mein Empfinden hatte die am letzten Verhandlungstag geplatzte Bombe heute nur wenig Sprengkraft.  Meinen Mandanten hat Khalief D.  übrigens nicht weiter belastet, sondern dessen frühe Einlassung im Verfahren im Wesentlichen bestätigt, soweit er hierzu überhaupt Angaben gemacht hat.

Weil heute aus terminlichen und organisatorischen Gründen nur bis zum Mittag verhandelt werden konnte, ist die Befragung von Kahlief D. nicht zum Abschluss gekommen und soll am 19.3.2012 – das ist mein Geburtstag – fortgesetzt werden. Bis dahin müssen sich alle Verfahrensbeteiligten, also auch das Gericht, darüber klar werden, wie in haftrechtlicher Hinsicht vorgegangen werden soll. Insbesondere stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Haftbefehl gegen meinen jugendlichen Mandanten und zwei Heranwachsende aufgehoben oder außer Vollzug gesetzt werden kann. Die inzwischen fast zweijährige Untersuchungshaft ist nach meiner Kenntnis außerhalb von Schwurgerichtssachen die Längste, die es in Hamburg in einem Jugendstrafverfahren je gegeben hat. Ich halte die U-Haft schon lange für rechtswidrig. Hier muss sich nach dem 19.3. 2012 was tun.

 


Kategorie: Strafblog
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