Als Strafverteidiger, der häufig auch in Sexualstrafsachen tätig ist, werde ich oft gefragt, wie ich es mit meinem Gewissen verantworten kann, potenzielle Vergewaltiger oder Kinderschänder zu verteidigen. Da gibt es eine Vielzahl von Argumenten, die ich an dieser Stelle nicht alle wiedergeben will, aber ein ganz wichtiges sei dann doch erwähnt: Als Verteidiger haben wir die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass ein Verfahren auf „justizförmige“ Weise abläuft und dass nur derjenige verurteilt wird, dem seine Schuld in rechtsstaatlich einwandfreier Weise nachgewiesen werden kann. Und bis zum Beweis des Gegenteils besteht immer die Option der Unschuld.
Der Vorwurf, ein Sexualdelikt begangen zu haben, ist wie kaum ein anderer geeignet, den sozialen Ruf eines Menschen zu zerstören. Gerade darum eignet sich ein solcher Vorwurf, auch wenn er völlig unberechtigt ist, für Racheakte. Es gibt auch Menschen, die Sexualdelikte zu ihrem Nachteil erfinden, um Aufmerksamkeit, Mitgefühl und Anteilnahme auf sich zu ziehen, oder die damit sich und anderen suggerieren wollen, begehrenswert zu sein. Alles Quatsch? Blödsinnige Unterstellungen eines Verteidigers, der mit allen Mitteln arbeitet und seine Argumente da sucht, wo er sie braucht?
Es ist einen guten Monat her, da hat eine junge Frau aus der Oberpfalz bei der Polizei Anzeige gegen 3 unbekannte Täter erstattet, die sie entführt und an einen fremden Ort gebracht hätten. Dort sei sie von einem der Männer vergewaltigt und später nackt aus dem Auto geworfen worden. Der Fall hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht. Nach den Tätern war mit großem Aufwand mit Phantombildern, die nach der Personenbeschreibung des angeblichen Tatopfers angefertigt worden waren, mit Spürhunden und mit Zeugenbefragungen gefahndet worden. die Tatschilderung der Frau sei durch ärztliche Berichte gestützt worden, heißt es. Es war angedacht, auch über die Sendung Aktenzeichen XY nach den Tätern zu suchen.
Alles blinder Alarm, wie es scheint. Nach einem Bericht bei focus.de hat die Polizeidirektion Oberpfalz heute mitgeteilt, dass die Suche nach den Tätern eingestellt worden sei. Es lägen sichere Erkenntnisse darüber vor, dass die Entführung und Vergewaltigung nie stattgefunden hat. Einzelheiten hierzu wolle die Behörde zum jetzigen Zeitpunkt nicht mitteilen, heißt es sinngemäß.
Mit gefakten Vergewaltigungsvorwürfen habe ich schon ziemlich oft zu tun gehabt. Zumeist waren dabei konkrete Personen beschuldigt worden. Es war dann oft mühevoll, deren Unschuld zu beweisen. Aber manchmal ist das auf sehr eindeutige Weise gelungen. Ich meine damit nicht die Fälle, in denen nach dem Grundsatz in dubio pro reo verfahren wurde, weil Aussage gegen Aussage stand und objektive Beweismittel fehlten, sondern diejenigen, in denen der Vorwurf wirklich widerlegt werden konnte. In anderen Fällen war die Beweislage nicht so eindeutig. Da ist dann – wenn der sichere Beweis nicht geführt werden konnte – immer etwas hängen geblieben. Mancher von den Beschuldigten mag schuldig gewesen sein, andere aber nicht. Wer außer den Beteiligten will das schon sicher wissen. Und es gibt auch Fälle, in denen das Gericht keine Zweifel an der Täterschaft hatte, obwohl die Tat gar nicht stattgefunden hat. Oder obwohl zumindest erhebliche Zweifel angebracht waren. Als Verteidiger frage ich mich in solchen Fällen, woher das Gericht seine Sicherheit nimmt, wenn ich selbst trotz intensiver Auseinandersetzung mit dem Fall zu keiner sicheren Überzeugung gekommen bin. Wird da nicht manchmal nach dem Motto „Wenn du mich fragst, dann wird der es wohl gewesen sein“ verfahren?
Wenn eine Vergewaltigung stattfindet und der Täter später freigesprochen wird, dann ist das für das Opfer ganz gewiss eine schlimme Sache. Wenn ein unschuldiger Mensch aufgrund bloßer Verdachtsmomente verurteilt wird und jahrelang ins Gefängnis wandert, dann ist das untragbar. Der Rechtsstaat muss das Risiko in Kauf nehmen, einen Schuldigen laufen zu lassen, wenn die Tat nicht nachgewiesen werden kann. Er darf aber nicht hinnehmen, einen möglicherweise Unschuldigen auf bloßer Vermutungsgrundlage einzusperren.
Der vorliegende Fall zeigt ein weiteres Mal, dass es notwendig ist, auch in diesem Deliktsbereich mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu verteidigen.
Kategorie: Strafblog
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