Nicht nur, wenn es ums Strafrecht geht, laufen die Uhren in Texas schon immer etwas anders als in den übrigen US-Bundesstaaten. In alter Wildwest-Manier werden hier die meisten Todesurteile verhängt und vollstreckt, nirgendwo sind die Waffengesetze liberaler und die Gefängnisse voller. Die körperliche Züchtigung von Schülern mit dem Paddle ist hier erlaubt und man wählt traditionell konservativ. „Law and order“ hat hier eine ganz besondere Bedeutung.
Ein texanisches Geschworenengericht im Bezirk Lavaca hat jetzt die Zulassung einer Anklage gegen einen 23-jährigen Farmer abgelehnt, der einen Kinderschänder auf frischer Tat ertappt und erschlagen haben soll. Wie spiegel-online berichtet, hatte ein 47-jähriger Hilfsarbeiter am 9. Juni die 5-jährige Tochter des Mannes in einen Stall gezerrt und sich dort an ihr vergangen. Wie weit die sexuellen Handlungen gingen, ergibt sich aus dem Beitrag nicht. Es wird lediglich berichtet, dass das Mädchen leichte Verletzungen erlitt. Der Vater habe die Hilfeschreie seines Kindes gehört, sei hinzugeeilt und habe so heftig auf den Kopf und den Nacken des Täters eingeprügelt, dass dieser starb.
Die aus Laienrichtern bestehende Jury hat entschieden, dass der Mann in Notwehr gehandelt habe. Nach texanischem Recht ist der Einsatz tödicher Gewalt „erlaubt und gerechtfertigt“, um Sexualverbrechen zu stoppen. Ob tatsächlich eine Notwehr- bzw. Nothilfesituation gegeben war, darf allerdings mit Fug und Recht bezweifelt werden. So wurde auf einer Pressekonferenz die Aufzeichnung eines Notrufs vorgespielt, auf der zu hören ist, wie der Vater sagt, er habe den Vergewaltiger seiner Tochter verprügelt. „Er wird sterben“, habe der Mann geschrien. Er sei bestürzt über die Schläge gewesen und habe schluchzend um einen Krankenwagen gebeten. Zwischenzeitlich habe er gesagt, er werde den Mann selbst ins Krankenhaus fahren, wenn der Krankenwagen nicht komme.
Mehrere Zeugen sollen angegeben haben, sie hätten gesehen, wie der Hilfsarbeiter das Mädchen mit Gewalt in den Stall gezogen hätte.
Die Einwohner von Shiner, wo sich der Vorfall zugetragen hat, haben die Entscheidung der Jury begrüßt. „Ich finde es großartig, sie sollten ihm einen Orden geben für das, was er getan hat“, wird ein 79-jähriger Mitbürger in den „San Antonio Express News“ zitiert. Er hätte die gleiche Sache gemacht, wenn es seine Kinder gewesen wären, äußerte ein weiterer Befragter.
Ein schauerlich revanchistisches Gerechtigkeitsempfinden, denke ich, bei dem die Sachaufklärung so ziemlich auf der Strecke bleibt. Und ob tatsächlich ein Sexualdelikt vorgelegen hat, scheint auch nicht so richtig festzustehen. Das zu beurteilen, würde aber mehr Detailkenntnisse voraussetzen.
Kategorie: Strafblog
Permalink: Selbstjustiz bleibt straflos – Jury lehnt Anklage wegen Tötung eines angeblichen Kinderschänders ab
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