Späte Einsicht der Staatsanwaltschaft – Freispruch bleibt bestehen



Veröffentlicht am 24. April 2012 von

Krefelder Ams- und Landgericht, Foto:Martin Winz

Zurückgenommen hat die Krefelder Staatsanwaltschaft jetzt ihre Berufung gegen einen durchaus nicht selbstverständlichen Freispruch, den ich im Februar für eine Mandatin vor dem dortigen Amtsgericht erzielt hatte.

Uneidliche Falschaussage in zwei Fällen war der Frau und ihrer Schwester vorgeworfen worden. Hintergrund war ein Familienstreit, in dessen Verlauf eine weitere Schwester der Beiden von dem gemeinsamen Bruder aus der Wohnung gezerrt und dabei geschlagen und getreten worden sein soll. In zwei Instanzen hatten die beiden angeklagten Frauen zugunsten ihres Bruders ausgesagt, der trotzdem sowohl vom Amtsgericht als auch vom Landgericht verurteilt worden war. Die Richter hatten der bei der Auseinandersetzung angeblich verletzten Schwester, die zahlreiche Hämatome dokumentieren konnte, und einem weiteren Zeugen, der einen Teil der Auseinandersetzung gesehen haben wollte, geglaubt und festgestellt, dass die anderen Zeugen gelogen hätten. Das hatte den beiden Frauen einen Strafbefehl eingebracht, gegen den sie Einspruch eingelegt hatten.

Falschaussageverfahren sind für die Verteidigung aus zwei Gründen besonders problematisch: Erstens gibt es bereits einen oder – wie im vorliegenden Fall – mehrere Richter, die von der Schuld des oder der Angeklagten überzeugt sind und die das auch in ihr Urteil reingeschrieben haben. Genau das hatte zur Anklage geführt und von dieser Einschätzung soll der neue Richter jetzt abweichen und damit gegen seine Kollegen entscheiden. Das geschieht nicht allzu oft. Zweitens ist der frühere Angeklagte, der jetzt ein Verurteilter ist, Zeuge im Falschaussageverfahren und müsste jetzt bekunden, dass er zu Unrecht verurteilt worden ist, was ihn nun seinerseits dem Risiko aussetzt, dass man ihm nicht glaubt und ein weiteres Falschaussageverfahren gegen ihn einleitet. In diesem Verfahren wären dann wieder die Anderen Zeugen …. potenziell ein Spiel ohne Ende.

Mein Mitverteidiger und ich hatten dem verurteilten Bruder geraten, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, um sich keinen weiteren Gefahren auszusetzen. Also ging es darum, die eigene Mandantschaft positiv zu präsentieren und Zweifel an der Zuverlässigkeit der Aussagen des angeblichen Tatopfers und ihres Bekannten, der für sie ausgesagt hatte, zu wecken und diese in Widersprüche zu verwickeln. Und das hatte beim Amtsgericht geklappt. Aussagewidersprüche gab es bereits zu der Frage, ob und wie lange die Beiden miteinander liiert gewesen sind. 4 Jahre seien das gewesen, meinte die Schwester, zum angeblichen Tatzeitpunkt sei man noch zusammen gewesen. Von 2 Jahren sprach der Mann, zum Tatzeitpunkt sei man schon längst auseinander gewesen. Uneinigkeit bestand auch in der Frage, wann man sich zuletzt vor der Verhandlung gesehen hätte. Beide „vergaßen“ zu erwähnen, dass der Mann erst vor wenigen Tagen in einem anderen Verfahren wiederum als Zeuge zugunsten der Frau ausgesagt hatte. Man habe seit Jahren keinen engeren Kontakt mehr miteinander und treffe sich höchstens ab und zu mal zufällig auf der Straße, meinte die Frau. 3 bis 4 Mal wöchentlich sehe man sich, meinte der Mann, man sei immer noch eng befreundet und er führe auch alle paar Tage den Hund der Frau aus. Ob er sich auf die Verhandlung vorbereitet habe, hatte ich den Mann gefragt und ob er vielleicht schriftliche Aufzeichnungen studiert habe, weil er sich so gut an ein fast 5 Jahre zurückliegendes Geschehen erinnern könne. Da zog er tatsächlich Schriftstück aus der Tasche, das er als Erinnerungsstütze gefertigt habe und (man Höre und staune!) schon seit Jahren immer bei sich trage. Neben einer handschriftlichen Tatbeschreibung war auf dem Papier auch eine Zeichnung zu sehen, die das angebliche Geschehen widergab. Die Frage, ob seine Ex-Freundin das Papier kenne, bejahte der Mann. Das ließ Zweifel an der Authentizität der Aussagen aufkommen. Dies und weitere Unsauberkeiten in den Zeugenaussagen führte schließlich dazu, dass der Richter meinte, er könne den Grundsatz „in dubio pro reo“ nicht überwinden. Eine sichere Überzeugung, dass die Schwestern in ihren Zeugenaussagen gelogen haben, könne er nicht begründen. Gegen den Antrag der Staatsanwaltschaft, die zwar von einer dünnen Beweislage sprach, aber trotzdem Verurteilung beantragte, hatte der Richter die beiden Frauen freigesprochen und  sich damit den Anträgen der Verteidigung angeschlossen.

Wie nicht anders zu erwarten war, hatte die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Das wiederum hatte den Richter veranlasst, ein wirklich sorgfältig begründetes Urteil zu schreiben, in dem er die wesentlichen Widersprüche der Beweisaufnahme und seine Zweifel am angeklagten Tatgeschehen darlegte. Und offensichtlich hat das nicht nur mich, sondern nun auch die Staatsanwaltschaft überzeugt.

Die Mandantin freut sich und bekommt nun zumindest einen Teil der Kosten, mit denen die Verteidigung verbunden war, zurück. Und ihr Bruder fragt sich nicht ganz zu Unrecht, ob er in seinem Verfahren vielleicht nicht optimal verteidigt worden ist.

 

 


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