Trotz Drogenfunds: Rechtswidrige Durchsuchung des Beifahrers eines bekifften Autofahrers führt zum Freispruch



Veröffentlicht am 20. April 2012 von

geschnittenes Marihuana, Foto: Erik Fenderson, 2006-01-01.

Ein interessantes Urteil des Kölner Amtsgerichts ist im gerade erschienenen Maiheft der Fachzeitschrift „Strafverteidiger“ abgedruckt. Ein Pkw-Fahrer war im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle angehalten worden und hatte drogenbedingte Auffälligkeiten wie Nervosität, Zittern, Schweißausbrüche und veränderte Pupillen (im Urteil heißt es: „auffällige Augen“) gezeigt. Ein an Ort und Stelle durchgeführter Drogenschnelltest war positiv. In der Annahme, dass auch der Beifahrer Drogen konsumiert haben könnte, durchsuchte ein Polizeibeamter nun auch diesen und fand in einer Hosentasche ein Tütchen mit 4.62 Gramm Marihuana. Nach erfolgter Belehrung über seine Rechte gab der Beifahrer an, zuhause noch weiteres Marihuana zu haben. Er stimmte einer Durchsuchung seines in der elterlichen Wohnung gelegenen Zimmers zu. Dem Vater des jungen Mannes wurde der Zweck der Durchsuchung mitgeteilt. Er stimmte ebenfalls zu. Im Zimmer des Beifahrers  fand die Polizei dann zwar kein weiteres Marihuana, aber 1.43 Gramm Amphetamin.

Das Amtsgericht Köln hat den Beifahrer vom Vorwurf des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln freigesprochen. Schon die Durchsuchung im Zuge der Verkehrskontrolle sei rechtswidrig gewesen und führe zu einem Beweisverwertungsverbot. Nur der Pkw-Fahrer hätte zur Überprüfung seiner Fahrtüchtigkeit gem. § 36 Abs. 5 StVO kontrolliert werden dürfen. Das beziehe sich aber nicht auf den Beifahrer (der ja nicht verkehrstüchtig sein muss). Auch § 102 StPO scheide als Ermächtigungsgrundlage für die Durchsuchung aus, weil hierfür Voraussetzung sei, dass eine bestimmte Straftat wahrscheinlich begangen worden ist. Hierzu bedürfe es konkreter Anknüpfungstatsachen. Die Annahme, der Beifahrer eines bekifften Autofahrers habe auch Drogen konsumiert, stelle lediglich eine Vermutung und keinen tatsächlichen Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Straftat dar. Die Durchsuchung sei auch nicht etwa als Eigensicherungsmaßnahme nach § 39 Abs. 2 PolG gerechtfertigt gewesen, da es keine Hinweise auf eine den Polizeibeamten drohende Gefahr gegeben habe.

Auch das bei der anschließenden Hausdurchsuchung gefundene Amphetamin sei als Beweismittel für Drogenbesitz nicht verwertbar. Die Durchsuchungsmaßnahme stelle einen schwerwiegenden Eingriff in das durch Art. 13 GG geschützte Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung dar. Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass der Beifahrer nur ein Zimmer in der Wohnung seiner Eltern hatte. Die Mutter als weitere Inhaberin des Wohnungsrechts sei nicht um eine Einwilligung gefragt worden. Es habe kein richterlicher Durchsuchungsbeschluss vorgelegen.  Weiterhin habe es auch an einer wirksamen Einwilligung des Beifahrers gefehlt, da dieser nicht über die Freiwilligkeit der Durchsuchung belehrt worden sei und es ihm deshalb nicht möglich gewesen sei, seine Rechte zu erkennen. Eine Durchsuchung ohne freiwillige Einwilligung gem. § 102 StPO zur Auffindung von Beweismitteln wäre unverhältnismäßig gewesen, weil bei dem Beifahrer nur Eigenkonsummengen in der Hosentasche gefunden worden seien und keine Anhaltspunkte dafür vorgelegen hätten, dass in seinem Zimmer größere, über den bloßen Eigenbedarf hinausgehende Mengen vorhanden wären.

Wegen der schwerwiegenden Verletzung der Rechte des angeklagten Beifahrers könnten die gefundenen Drogen daher nicht als Beweismittel herangezogen werden. Es bestehe ein absolutes Beweisverwertungsverbot. Deshalb sei der Mann freizusprechen.

Aus Verteidigersicht ein gutes Urteil, weil verfassungsmäßigen Rechten ein hoher Stellenwert zugebilligt wird. Das ist bekanntlich nicht immer der Fall …

 

Quelle: StV 2012, 280

 


Kategorie: Strafblog
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