Reichlich verspätet setzt sich bild.de in einem aktuellen Beitrag mit dem Entwurf eines einheitlichen Strafvollzugsgesetzes von 10 Bundesländern auseinander, der immerhin schon im September 2011 veröffentlicht wurde und seitdem vielerorts im Internet, beispielsweise über die Webseite der schleswig-holsteinischen Justizministeriums , abrufbar ist. „Langzeiturlaub für Mörder“ titelt BILD und wirft gleichzeitig im Hinblick auf Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Die Linke) die Frage auf: „Hat dieser Minister nicht alle Tassen im Schrank?“. Die Bildredakteure A. BALDAUF, M. SAUERBIER und M. SCHWARZ brüsten sich zunächst damit, dass der 250 Seiten starke Entwurf BILD vorliege, was in Anbetracht der Allgemeinverfügbarkeit im Internet nicht wenig erstaunt. Die Autoren stoßen sich vor allem an § 38 des Entwurfs, an dem die Senatorin für Justiz des Landes Berlin, der Senator für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen und die Justizministerinnen und Justizminister der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen mitgewirkt haben. Aber so ein linker Minister eignet sich als Zielscheibe natürlich besonders gut. Und in § 38 des Entwurfs steht, dass ein zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilter Gefangener nach fünf Jahren Vollzugsdauer einen Langzeitausgang erhalten kann. Nach dem derzeit noch in Kraft befindlichen Strafvollzugsgesetz des Bundes ist ein Langzeitausgang bei lebenslanger Freiheitsstrafe erst nach 10 Jahren möglich.
Der Musterentwurf betreffe nicht nur Mörder, sondern auch Vergewaltiger und Kinderschänder, meint BILD in der üblichen sachlichen Zurückhaltung und zitiert dann genüsslich den Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, mit seiner Äußerung über den tassenlosen Minister Schöneburg. „Schwerverbrecher nach kürzester Zeit wieder auf Bürger loszulassen ist skandalös, wäre ein gefährliches Experiment auf dem Rücken der Bürger!“, lässt das Boulevardjournal den Polizeigewerkschafter noch hinzufügen und will damit offensichtlich die sattsam bekannte gewerkschaftfreundliche Grundhaltung der Springerpresse dokumentieren. Oder habe ich da etwas falsch verstanden??
Und weil Kritik so schön ist, werden gleich noch weitere Kronzeugen für die Absurdität der beabsichtigten Regelung ins Feld geführt. Originalton bild.de:
„Opferschutz muss vor Täterschutz gehen“, meint auch Rainer Krone (53) vom Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands. „Dieses Gesetz würde aber nicht die Allgemeinheit schützen, sondern die Schwerstverbrecher.“
CDU-Rechtsexperte Danny Eichelbaum (38) sieht die innere Sicherheit in Gefahr. Allein in Brandenburg habe es seit November fünf Ausbrüche bei Freigängen gegeben. „Das zeigt, dass die Justiz personell nicht in der Lage ist, Freigänge abzusichern.“
Laute Kritik kommt auch von Opferverbänden. Der Gesetzesentwurf sei für Angehörige von Mordopfern ein Schlag – und zwar mitten ins Gesicht.
Ende des Zitats
Mein ohnehin löcheriges Vertrauen in den Rechtsstaat hat wegen des BILD-Beitrags weitere Risse bekommen. 10 Justizministerinnen und Minister planen da offensichtlich einen Anschlag auf die Sicherheit der Bevölkerung und solidarisieren sich kaum verhohlen mit Mördern und Gewaltverbrechern, während sie den Opfern ins Gesicht schlagen. Was soll man da noch sagen? Oder wäre etwa eine differenziertere Betrachtungsweise angesagt? Aber die ließe sich wohl kaum in Schlagzeilen verpacken, denke ich.
Kategorie: Strafblog
Permalink: Urlaub für Mörder, Verspätung bei bild.de und die fehlenden Tassen beim linken Justizminister
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