Zu Ostern gilt keine Unschuldsvermutung – „Der Engel mit den Eisaugen“ war´s doch, oder?



Veröffentlicht am 9. April 2012 von

Amanda Knox nach der Entlassung aus dem Gefängnis, Foto: Scott335

Seit mehr als 4 Jahren beschäftigt der Mordfall um die US-amerikanische Studentin Amanda Knox die Öffentlichkeit und ein Ende ist trotz der spektakulären Freilassung der hübschen Frau, die von der Presse als „Engel mit den Eisaugen“ tituliert wurde, nicht in Sicht. Im November 2007 war die Leiche der englischen Studentin Meredith Kercher in der italienischen Stadt Perugia mit zahlreichen Messerstichen übersät und mit durchschnittener Kehle gefunden worden. Es lagen erhebliche Anhaltspunkte für ein Sexualdelikt vor. In einem weltweit beachteten Indizienprozess war die heute 24 Jahre alte Amanda Knox erstinstanzlich wegen eines angeblich zusammen mit ihrem damaligen Freund Raffaele Sollecito begangenen Sexualmordes an ihrer Kommilitonin zu 26 Jahren Haft verurteilt worden. Gegen Sollecito wurden 25 Jahre verhängt. Im vergangenen Jahr erfolgte dann im Berufungsverfahren ein Freispruch für beide Angeklagte. Das Berufungsgericht von Perugia hatte das erstinstanzliche Verdikt in einer 143 Seiten langen Urteilsbegründung regelrecht zerpflückt und – wie spiegel-online damals berichtete –  festgestellt, der Richterspruch sei „nicht untermauert von irgendeinem objektivem Beweis und es war sogar nicht einmal wahrscheinlich: Zwei junge, gute und offene Menschen sollen plötzlich entschieden haben, etwas Böses um des Bösen willen zu tun, ohne jeden anderen Grund“.

Die Familie des Tatopfers war von dem Freispruch geschockt, hieß es in den Medien, und will Amanda Knox in bester O-J-Simpson-Manier zivilrechtlich auf Millionen-Schadensersatz verklagen. Der zuständige Staatsanwalt von Perugia will den Freispruch ebenfalls nicht akzeptieren und hat im Februar 2012 Rechtsmittel eingelegt. Es wird nun abzuwarten bleiben, ob es zu einem neuen Prozess kommt.

Wie rp-online heute berichtet, will der Vater der getöteten Meredith Kercher, John Kercher, noch im April ein Buch veröffentlichen, in dem er seine Sicht der Dinge darlegt. Der altehrwürdige britische Verlag Hodder & Stoughton, der einst „Alice im Wunderland“ unter die Leser brachte, hat als Erscheinungsdatum den 26.4. angegeben. Damit kommt John Kercher einem  von Amanda Knox geplanten Buch zuvor, das Anfang nächsten Jahres bei HarperCollins in New York erscheinen soll. Angeblich soll Knox dafür ein Honorar von mehr als einer Million Dollar kassieren.

Soweit, so gut. Soll doch jeder seine Sicht der Dinge veröffentlichen, denke ich, so lange er (oder  sie) damit nicht unzulässig in die Rechte anderer eingreift und damit Straftaten begeht. Es wird abzuwarten bleiben, wie sich Vater Kercher zur Rolle von Amanda Knox und Sollecito äußert. Sein Verlag wird sicher sehr genau prüfen, welche Behauptungen ohne rechtliches Risiko aufgestellt werden können und wo mit Unterlassungsklagen gerechnet werden muss.

Weniger sorgsam ist da rp-online in dem oben zitierten Beitrag. Da heißt es nämlich in der Überschrift: „Vater von Knox-Opfer bringt Buch heraus“. Da werden mal eben das Berufungsurteil aus Perugia und die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung ignoriert. Wenn Meredith Kercher ein Knox-Opfer ist, dann muss Amanda Knox ja wohl die Täterin sein. Vielleicht weiß der Autor des Beitrages ja mehr als wir und als das italienische Berufungsgericht. Oder er opfert die Unschuldsvermutung der Schlagzeile.

 


Kategorie: Strafblog
Permalink: Zu Ostern gilt keine Unschuldsvermutung – „Der Engel mit den Eisaugen“ war´s doch, oder?
Schlagworte: