Versuchter Mord durch Unterlassen. Opfer tot, trotzdem nur Versuch? Wie geht das?



Veröffentlicht am 19. Juli 2014 von

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Zu Haftstrafen von 5 und 7 Jahren wegen versuchten Mordes hat das Landgericht Hanau nach einem Bericht bei spiegel-online zwei Männer verurteilt, die im September des vergangenen Jahres im baden-württembergischen Wittighausen einen Fahrkartenautomaten in die Luft gesprengt hatten, um an das darin befindliche Bargeld zu kommen. Durch die starke Explosion war auch das neben dem Automaten stehende Wartehäuschen in die Luft geflogen. Trümmerteile waren durch die Gegend geflogen und hatten den dritten Tatbeteiligten am Kopf getroffen, der dadurch schwer verletzt wurde. Trotz der offensichtlichen Lebensgefahr hatten die beiden jetzt verurteilten Männer ihren Komplizen nicht ins Krankenhaus gebracht, sondern waren noch 2 Stunden im Auto mit ihm durch die Gegend gefahren, bevor er an den Verletzungen starb. die beiden 52 und 35 Jahre alten Männer hatten den Toten dann 120 Kilometer vom Tatort entfernt auf einem Parkplatz abgelegt und die Polizei alarmiert.

Das krude Tatgeschehen hatte den beiden überlebenden Täter eine Anklage wegen versuchten Mordes eingebracht, die jetzt zu der entsprechenden Verurteilung führte.

Versuchter Mord? Wie kann das sein, wird sich der eine oder andere strafblog-Leser vielleicht fragen. Einerseits wollten die doch ersichtlich niemanden töten und andererseits – wenn man trotzdem einen Mordvorsatz annimmt – war der Mann doch letztlich mausetot. Wieso dann nur Versuch?

Hier die Auflösung:

Die beiden Männer hatten ursprünglich nur den Vorsatz, gemeinsam mit ihrem Komplizen einen Fahrkartenautomaten zu sprengen. Das wäre ein Diebstahl im besonders schweren Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung und einem Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz. Es ist anzunehmen, dass die Männer zunächst nicht damit rechneten, dass es zu Verletzungen von Menschen kommen könnte. Insoweit wäre die Verletzung des Mittäters wohl nur als fahrlässige Körperverletzung oder – wenn dadurch der Tod eingetreten ist – als fahrlässige Tötung zu werten gewesen. Schlimm genug. Nun war der Mittäter aber nicht sofort tot, sondern augenscheinlich schwer verletzt. Die beiden anderen hätte nun unter dem Gesichtspunkt des vorausgegangenen gefahrenbegründenden Tuns (sogenannte Ingerenz) die rechtliche Verpflichtung gehabt, alles in ihren Möglichkeiten liegende zu tun, den möglichen Todeseintritt zu verhindern. Indem sie das – offensichtlich  aus der Angst heraus, dass dann ihre vorgegangene Straftat entdeckt würde – nicht getan haben, haben sie den  Tod des Komplizen jedenfalls billigend in Kauf genommen. Das nennt man im Juristendeutsch einen bedingten Vorsatz. Und weil das Ganze der Verdeckung einer Straftat dienen sollte, wäre das ein sogenannter Verdeckungsmord durch Unterlassen.

Obwohl der Komplize tatsächlich gestorben ist, hat das Gericht nur versuchten Mord angenommen. Wie das sein kann? Nun, ein medizinischer Sachverständiger hat festgestellt, dass die Verletzungen des Mannes so schwer waren, dass dieser auch bei sofortiger Einlieferung in ein Krankenhaus gestorben wäre. Mit anderen Worten: Der Todeseintritt wäre nicht zu verhindern gewesen, so dass das Unterlassen nicht kausal für den Tod war. Das wiederum hatten die Angeklagten aber wohl nicht erkennen können, weshalb es nach ihrer Vorstellung bei dem bedingten Tötungsvorsatz verblieb. Indem sie den Kumpel nicht ins Krankenhaus verbrachten, haben sie nach ihrer Vorstellung unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt, so dass alle objektiven und subjektiven Voraussetzungen für einen Mordversuch erfüllt waren.

 


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