Warten ist des Anwalts Frust – Selbst die Polizei kann bei so viel Verhandlungsunfähigkeit nicht helfen



Veröffentlicht am 28. Januar 2014 von

Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt

Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt

 

In den nächsten Wochen und Monaten bin ich mit Hauptverhandlungen so ziemlich austerminiert. Fast kein Tag, an dem ich nicht in irgendeinem Gerichtssaal aufschlagen muss. Umso schlimmer ist, wenn dann Termine ohne Not platzen.

11:15 Uhr: Derzeit sitze ich in einem Raum des Rheydter Amtsgerichts und warte mit den anderen Verfahrensbeteiligten darauf, ob der Hauptbelastungszeuge und Nebenkläger mit Hilfe der Polizei vorgeführt werden kann. Der Mann hat nämlich über seinen Anwalt unmittelbar vor Sitzungsbeginn  ein ärztliches Attest überreichen lassen, in dem es heißt, der Patient leide seit dem hier in Rede stehenden Vorfall – eine Körperverletzung aus  Mai 2011 –  an Angststörungen und habe panische Furcht, vor Gericht zu erscheinen. Der Mann traue sich überhaupt kaum noch aus dem Haus. Es solle doch geprüft werden, ob die Zeugenaussage nicht schriftlich oder bei ihm zuhause in Abwesenheit der beiden Angeklagten erfolgen könne. Von einer Verhandlungsunfähigkeit ist allerdings nicht die Rede. Das Attest ist von einem Allgemeinarzt ausgestellt worden und trägt das Datum von heute. Da steht auch nicht drin, dass der Mann sich schon seit längerem wegen seiner Angststörung in ärztlicher Behandlung befindet. In den knapp drei Jahren seit dem streitigen Tatgeschehen, das relativ banal war und zu einer Anklage bei der Einzelrichterin geführt hat, war von einer die Zeugentauglichkeit beeinträchtigenden Angststörung auch nie die Rede. Dagegen spricht auch, dass er schon wenige Tage nach dem in Rede stehenden Geschehen auf einer Kirmes gesehen wurde. Die Anklage datiert aus April 2012, die Ladung zur Hauptverhandlung ist auch schon ein paar Monate alt. Seinem Anwalt hat der Zeuge wohl nichts von seinen akuten Ängsten berichtet, der war von dem ihm heute durch die Ehefrau seines Mandanten überreichten Attest offenkundig reichlich überrascht.

Der Mann wird vielleicht wissen, warum er heute nicht vor Gericht erscheinen will. Die beiden Angeklagten schildern das Tatgeschehen nämlich reichlich anders als der Zeuge, nach ihren Darstellungen gingen die Aggressionen einseitig von dem Zeugen aus.

Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung sind sich darüber einig, dass das vorgelegte Attest keine ausreichende Entschuldigung für das Fernbleiben vom Hauptverhandlungstermin darstellt. Normalerweise würde jetzt vertagt und ein Ordnungsgeld gegen den Zeugen festgesetzt werden. Außerdem würden ihm die Kosten des Termins auferlegt und die polizeiliche Vorführung zum nächsten Termin angeordnet werden. Weil es schwierig ist, einen kurzfristigen neuen Termin zu finden, haben wir uns darauf verständigt, eine sofortige Vorführung zum heutigen Termin durch die Bereitschaftspolizei zu versuchen. Die ist jetzt unterwegs und versucht, den Mann zuhause abzuholen. Dort soll er sich nach Angaben der Ehefrau, die als Zeugin anwesend ist, aufhalten.

11:50 Uhr: Die Wartezeit hat mir Gelegenheit gegeben, kurz über den Casus zu bloggen. Soeben hat die Richterin mitgeteilt, dass die Polizei den Nebenkläger nicht zuhause angetroffen hat. Also muss vertagt werden. Auf meine Anregung hin erlässt das Gericht einen Ordnungsgeldbeschluss und ordnet die Vorführung des unwilligen Zeugen zum nächsten Termin an. Und die Kosten des heutigen Termins muss der Mann auch tragen. Mich tröstet das nur wenig, die knappe Zeit ist reichlich sinnlos verplempert und kann nicht aufgeholt werden. Und die erstattungsfähigen Kosten wiegen den Zeitverlust ohnehin nicht annähernd auf.

Na ja, so ist es halt. Es gibt schlimmere Schicksale, das tröstet mich ein wenig.

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Kategorie: Strafblog
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