Wenn Polizisten schießen (müssen) …



Veröffentlicht am 17. Februar 2013 von

 

Polizeiwaffe Sig Sauer, Urheber: Hardenacke at de.wikipedia.

Ich vertrete in einem laufenden Verfahren einen Polizisten, der im Dienst auf einen anderen Menschen, der einen bewaffneten Überfall begangen hat, geschossen hat. Der verhinderte  Räuber wurde bei der Aktion schwer verletzt, ist aber am Leben geblieben  und inzwischen auch weitgehend wiederhergestellt. Das routinemäßig eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen meinen Mandanten wegen Verdachts der gefährlichen bzw. schweren Körperverletzung wurde – zu Recht, wie ich meine – eingestellt, weil er sich in einer Notwehrsituation befunden hat oder hiervon zumindest nicht vorwerfbar ausgegangen ist. Aufgrund einer Beschwerde, die der Anwalt des Räubers eingelegt hat, sind die Ermittlungen wieder aufgenommen worden, das lastet natürlich auf meinem Mandanten. Der hat – und diese Erfahrung habe ich nicht zum ersten Mal bei der Verteidigung von Polizeibeamten gemacht – seine psychische Last mit dem Schusswaffeneinsatz gehabt, dem ersten nach etlichen Jahrzehnten im Polizeidienst. Er ist froh, dass der Schuss, der getroffen hat,  keine noch schwerwiegenderen Folgen hatte, und  zwar nicht so sehr wegen der strafrechtlichen Risiken, sondern weil er den Wert des Lebens – auch des Lebens eines Straftäters – anerkennt. Es ist etwas anderes, auf dem Schießstand zu üben und theoretisch den Waffeneinsatz zu proben, oder tatsächlich die Waffe gegen einen Menschen zu richten.

Bei zeit.de wird aktuell unter dem Titel „Einen Menschen töten“ über einen Polizisten berichtet, der im Einsatz in einen tödlich verlaufenen Schusswechsel geriet, bei dem ein Bankräuberpaar, Mann und Frau, ums Leben kam. Auch dies ein Fall, in dem der Schusswaffeneinsatz wohl gerechtfertigt war. Es lohnt, den Beitrag zu lesen. Am Ende heißt es dort:

„Wochenlang kann ich nicht schlafen, nachts dreht sich das Kopfkino. Mein Betreuer hilft mir, zu verstehen, dass ich keine Wahl hatte. Ich hätte sterben können. Noch schlimmer ist, dass meine Kollegin getroffen wurde. Obwohl ihre Schusswunde am Bein nicht tief ist, fühle ich mich verantwortlich. Drei Wochen bin ich krankgeschrieben, dann fahre ich in den Urlaub. Als ich zurückkomme, lese ich viel in den Medien über den Fall. Rechtlich bin ich nun der Beschuldigte, das ist so üblich, Kollegen ermitteln gegen mich. Aber ich bin kein eiskalter Killer, ich wollte niemanden töten. Mir ist es wichtig, dass die Leute das sehen. Dass in vielen Medien fair berichtet wird und auch die Leser in ihren Kommentaren Verständnis zeigen, baut mich auf. Meine Vorgesetzten bestätigen, dass ich richtig gehandelt habe. Später stellt auch die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen mich ein.

Heute studiere ich an der Hochschule für Polizei, um Kommissar zu werden. Meine Berufswahl habe ich nie angezweifelt.“

Als Verteidiger vertreten wir oft die andere Seite, also diejenige, gegen die sich der Polizeieinsatz richtet. Und wir alle kennen genügend Stories von Polizeiwillkür und von sehr fragwürdigem Einsatz von Gewalt im Dienst. Aber jeder Fall ist anders und manchmal ist man auch froh, nicht selbst in der Situation gewesen zu sein, über einen Waffeneinsatz entscheiden zu müssen. Die pauschale Kritik an jedem gewaltsamen Polizeieinsatz wird der Realität genauso wenig gerecht wie die prinzipielle  Exkulpation polizeilichen Handelns. Vielmehr gilt immer: Erst einmal genau hinschauen, um sich ein wirkliches Bild machen zu können.

 


Kategorie: Strafblog
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